Zeitraum

1977 realisiert Alfons Schilling gemeinsam mit dem Kameramann Andrej Zdravič Zeitraum, ein im 16-mm-Format gedrehter Film, der in seinem Studio in Manhattan realisiert wurde. Die Kamera blickt über die tiefe Raumflucht und gibt Einblick in den Werkstadtcharakter seines Laboratoriums. Sehmaschinen, Projektoren, Stative sind ebenso zu sehen wie Arbeitsunterlagen, Zeichnungen und Leinwände. Das auf die Fensterfront hin orientierte Objektiv gibt im Hintergrund den Blick frei auf die gegenüberliegende Hausfassade des Broadways und lässt den sich frei im Raum bewegenden Künstler im Gegenlicht erscheinen. Im Zuge der folgenden neun Minuten beginnt die Kamera zuerst sachte, dann zunehmend heftiger zu schwingen. Wie ein Pendel beginnt sie den Raum zu vermessen, gewinnt fortlaufend an Höhe und Geschwindigkeit. Immer stärker taumelnd und durch unterschiedliche Nahansichten enthebelt diese Kamerafahrt das Raumgefüge. Die Vorrichtung ist im weiteren Verlauf derart konstruiert, dass ähnlich einer Schaukel die Bildkanten den Horizontlinien des Raumes folgen. Die Amplitude der Kamerabewegung ist einzig mit dem rhythmischen Knarzen der Schwebekonstruktion unterlegt.

Der Zeitraum bezeichnet nicht nur die Dauer des sichtbaren Films, der den Raum in einer schwingenden Bewegung durchscannt, verweist er doch auch auf den nicht sichtbaren Anfang, in dem sehr wohl die Kamera und deren Bewegung bereits stadtfindet, was für die Betrachtenden erst hit hetero rückgeschlossen werden kann.

Aus: Roland Fischer-Briand „Wenn der Körper ruht und das Auge Fahrt aufnimmt“, in: „Beyond Photography“, Verlag für moderne Kunst, Wien 2017