Die vielen Möglichkeiten, den Blick abzuwenden
"What forms of revenge are possible in a corrupted medium?" fragt Eszter Katalin in ihrem Essayfilm und benennt so den Gestus ihrer Medienkritik am Objekt und Blick-Dispositiv Film: Im Zeichen der Rache als einer Zurück(ent)wendung nimmt ihre Befragung filmischer Repräsentationsformen und Materialität den Charakter eines Antwortens auf Verwundungen an. Ihre Kapiteltitel folgen einem Herstellungsprozess: Was mit Bild-Fixierung und Projektion endet, beginnt mit einer Engführung von Lichtbild und Einbrennen/Verwunden, und zwar im Dialog mit Nicht löschbares Feuer, Harun Farockis Essayfilm über die Vermittelbarkeit der Wirkungen und Zusammenhänge von Napalm-Einsatz. Insoweit Rache eine weitere "seduction to violence" ist, wie sie, so die Filmemacherin, von der Herrschaftspose des Film-Schießens immer auch ausgeht, agiert Katalin den Rache-Impuls in versetzter Weise aus: Emblematisch mit einer Maske auftretend, die zunächst an Ninjas oder politischen Terrorismus erinnert, knüpft sie eine komplexe Textur aus Reflexionen zur Verstrickung europäischer Lebens- und Filmgeschichten in politisierte Gewalt, in heterosexistische oder kolonialrassistische Projektionen. Die Reflexion vollzieht sie am eigenen Leib nach, durch Reenactments von Filmszenen – etwa von Claire Denis und Márta Mészáros, mit Supervillain Irma Vep –, schlüpft in Bilder und Masken, um sie zu prüfen, ihre Fixierungen zu verschieben, im Wechsel der Sprachen, Anredeweisen, Bildsysteme. Von ihrer Arbeit im Metallwerk erzählt eine Großmutter – zugleich Alter Ego, prosaische Maske – Katalins: Den Fabrikshandgriffroutinen der einen antworten Filmhandwerksrituale der anderen. Masken heben hervor und decken ab. Das titelgebende Abwenden der Augen wird zu einer immanenten Gegenkraft zum räsonierenden Ausleuchten der Bildinhalte; der Rätsel-Flair der Rache wird zur Form, die Reflexion anders denn als Rationalisierung zu gestalten: Faszination wird hier nicht gebannt, sondern zum Sog einer Verführung zur Kritik. (Drehli Robnik)
The Many Ways to Avert One’s Eyes
2025
Österreich, Ungarn
49 min
Experimental, Essay
Ungarisch, Deutsch, Englisch, Spanisch
Deutsch, Englisch