Liens familiers
Vertraute Gespräche entfalten sich an jenen Orten, die Berührungspunkte zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Großmutter und Enkelin sind: Am Meer, dem Vergnügungspark und entlang sorgsam sortierter Erinnerungsstücke. In Vertrautheit spüren hier zwei Frauen, eine davon die Filmemacherin Cordula Rieger selbst, einer Leerstelle nach und holen deren Umrisse zögerlich aus der Unschärfe hervor. Im Zögern liegt dabei keine Berührungsangst, vielmehr ein respektvolles einander Zeit geben.
Als schließlich eine Box mit der Beschriftung „Edith“ geöffnet wird, setzt sich aus Kamerablicken und (Halb-)Sätzen die Erzählung über ein Zugunglück zusammen, das sich 1985 auf der Strecke von Le Havre nach Paris ereignete. „Eine Erfahrung, die uns im Leben etwas verstehen lässt.“ erklärt die Großmutter. Die Entgegnung ihrer Enkeltochter: „Also, denkst du, dass ich es verstehen kann?“
Die intim dokumentierten Momente zwischen Cordula und ihrer Großmutter werden von einer inszenierten Zugfahrt der Gegenwart durchzogen: Hier fährt Cordula selbst in einem vollen Zug nach Paris, als dieser plötzlich eine Notbremsung machen muss. Im Moment der abrupten Bremsung wirkt die Realität in der Fiktion nach, findet einen Echoraum im plötzlichen Stillstand, in dem sich die Frage zwar weiter ausdehnen, aber auch an Grenzen stoßen kann: Wie können wir uns in und durch geteilte Momente verstehen?
Diesen Möglichkeiten von Dokumentation und Fiktion, sowie deren Bruch- und Verbindungslinien nachfühlend, gelingt Liens familiers ein zärtliches Sprechen und Begegnen durch Abwesenheit. Verkürzten Erzählungen von Schicksalsschlägen verweigert sich die Geschichte dabei und wählt anstatt dramatischer Enthüllungen ein behutsames Abtasten von Zäsuren – wissend, dass Betroffenheit nicht gleich sein muss, um Verständnis füreinander zu haben. (Lisa Heuschober)
Liens familiers
2025
Österreich, Frankreich
25 min