Nursery Rhymes. (Holy) Water

Eine Art Horizont. Meerblau über weißer Spitze. Der Projektor hört auf zu surren. „Bruneck, 29. Juli 1855“

Die Künstlerin-Performerin Belinda Kazeem-Kamiński kommt ins Bild. In der Hand hält sie einen Belichtungsmesser und blickt direkt in die Kamera.

Kazeem-Kamińskis Nursery Rhymes. (Holy) Water (2025) wiegt die Betrachtenden nicht in den Schlaf, sondern gemahnt sie an eine koloniale Geschichte. Am 29. Juli 1855 wurden die drei sudanesischen Mädchen Asue, Gambra und Schiama, nachdem sie der Priester Niccolò Olivieri in Kairo gekauft und in den Ursulinenkonvent im südtirolischen Bruneck verschleppt hatte, katholisch getauft.

Vor blauem Hintergrund und begleitet von leisem Meeresrauschen erinnern die drei Mädchen an Yellow Mary, Trula und Eula, die in Julie Dashs Daughters of the Dust (1991) fröhlich über den Strand tollen. Dashs Film spielt im Jahr 1902 und erzählt über mehrere Generationen die Geschichte der Gullah, die auf Ibo Landing, im heutigen South Carolina leben. Die Gullah behielten die Traditionen der Igbo, Mende, Twi und Yoruba auch während der Zeit der Versklavung und bis in ihre Freiheit hinein bei.

Doch Kazeem-Kamińskis visuelles Zitat verweist nicht nur auf den transatlantischen Kontext der gewaltsamen Verschleppung. Es ist auch eine Hommage an die Schwarze Ästhetik Dashs, ihres Kameramanns Arthur Jafa und ihres Szenografen Kerry James Marshall. Sie schufen ein Werk, das wegen seiner Inszenierung, der filmischen Darstellung Schwarzer Hautfarbe auf Zelloid und seiner Kritik an der dem Filmmaterial inhärenten Verzerrung und der Kamera ikonisch geworden ist.

Die von den Mädchen rezitierten Reime werfen Fragen auf: Warum wurden sie entführt und religiös zwangskonvertiert? Zuerst durch Zeuginnenschaft („Ihr verschlepptet uns in ferne Länder“), dann durch Anklage („Welche Sünden, fragen wir, was haben wir getan?“) bilden sie ein akustisches Tribunal gegen die Vertreibung der Schwarzen und gegen koloniale Übergriffe. (Karina Griffith)


Übersetzung: Thomas Raab

Orig. Titel
Nursery Rhymes. (Holy) Water
Jahr
2025
Land
Österreich
Länge
4 min
Kategorie
Experimental, Artist Film
Orig. Sprache
Kein Dialog, Englisch
Untertitel
Englisch
Credits
Regie
Belinda Kazeem-Kamiński
Kamera
Lydia Nsiah
Schnitt
Belinda Kazeem-Kamiński, Lydia Nsiah
Tonassistenz
Elisabeth Mtasa
Tonaufnahmen
Bassano Bonelli Bassano
Tonmischung
Bassano Bonelli Bassano
Dramaturgie
Belinda Kazeem-Kamiński
Tonkomposition
Bassano Bonelli Bassano
Technische Assistenz
Nick Prokesch
Text
Belinda Kazeem-Kamiński
Produktion
Belinda Kazeem-Kamiński, Liesa Kovacs
Zusätzliche Kamera
Nick Prokesch
Performer*in
Joy Alphonsus, Chioma Okoh, Henrie Dennis, Obinne Wiebach-Dennis, Joyce Lang, Smarula Lang
Licht
Nick Prokesch
Set Design
Belinda Kazeem-Kamiński
Title Design
Guilherme Maggessi
Farben
Lydia Nsiah
Bildgestaltung
Lydia Nsiah
Tonaufnahme Bruneck
Belinda Kazeem-Kamiński
Styling
Belinda Kazeem-Kamiński
Styling Assistenz
Delali Nuwordu
Verfügbare Formate
16 mm (Originalformat)
Bildformat
4:3
Tonformat
Stereo 2.0
Bildfrequenz
24 fps
Farbformat
Farbe
DCP 4K (Distributionskopie)
Bildformat
4:3
Tonformat
Stereo 2.0
Bildfrequenz
24 fps
Farbformat
Farbe
DCP 2K (Distributionskopie)
Bildformat
4:3
Tonformat
Stereo 2.0
Bildfrequenz
24 fps
Farbformat
Farbe