Baroque Statues
In assoziativer Montage werden starr-entrückte Posen von Heiligenfiguren mit dem Posing realer DarstellerInnen bis zur Nicht-Unterscheidbarkeit quergeschnitten. Erst allmählich gelingt es den Körpern, sich im zunehmend improvisierten Tanz vom Diktat der hölzernen Vorbilder loszusagen. Ein gelungener Akt der Befreiung aus der (katholischen) Konvention, den das Material seinerseits in einem Rausch von Mehrfachbelichtungen und psychedelischen Farben feiert.
(Maya McKechneay)
Baroque Statues, eine der frühesten Arbeiten aus dem Jahr 1970, bewegt sich in „Realfilm“-Bildern im Spannungsfeld zwischen Statik und Bewegung: Lassnig schneidet Detailaufnahmen verschiedener klerikaler Statuen – Madonnen, Heilige und Stifterfiguren in den typisch entrückten Posen – mit Aufnahmen eines lebendigen,
jedoch ebenso starr posierenden weiblichen Modells
quer. Die 16mm-Kamera tastet belebte wie unbelebte Körper ab, von den Zehen über den Faltenwurf der Gewänder und montiert lackiertes Holz derart geschickt an real-samtenen Faltenwurf, dass sich der menschliche / weibliche Körper vom statuesken Objekt kaum unterscheidet. Jahrzehnte vor dem Hype durch die Sängerin Madonna findet hier ein kunsthistorisches „Vogueing“ statt, ein Nachbilden vorgegebener Posen aus ganz anderen, dem Tanz nicht verwandten Kontexten. Lassnigs Film erzählt von der Befreiung des Körpers (und seiner Abbildung) aus dem Diktat der Kunst-Konvention. Der Tanz des Modells aus Fleisch und Blut wird zusehends freier, bis es zu schnellen Cembaloläufen über eine Wiese wirbelt. Zugleich gerät auch das Material außer Rand und Band und explodiert in einem Rausch psychedelischer Farben. Mit der anfänglichen Körperwerdung von Objekten, und der Objektwerdung von Körpern, bzw. der Undifferenzierbarkeit der beiden, greift Lassnig in Baroque Statues eines ihrer Leitmotive aus der Malerei auf, zu dem sie in späteren, filmischen Arbeiten (Chairs, Selfportrait) ebenso zurückkehren wird, wie zu einem anderen Thema: der humorvollen Abrechnung mit den erstarrten (und männlich dominierten) Standards vergangener Kunstepochen. Subjektiv argumentierbar ist Baroque Statues Lassnigs energetischster, lustvollster und vielleicht ihr „filmischster“ Film.
(Maya McKechneay, In: Diagonale Katalog, 2006)