Pietá
Drei Bilder, drei längere farbenprächtige Einstellungen mit den schwarzen Silhouetten spielender Kinder, eines dichten Vogelschwarmes und einer ihr Baby stillenden Mutter, alle gefilmt im letzten Licht der Abenddämmerung. Pietà ist ein kinematographischer Haiku, der mit seinen ebenso wunderschönen wie alltäglichen Bildern scheinbar die schiere Lust an Welt und Leben zum Ausdruck bringen möchte, zugleich aber alles in eine tief melancholische Stimmung taucht. Es sind sehnsüchtige Bilder, die das Kino hier wirft und evoziert, das unterstreicht auch der Einsatz der todtraurigen Mahler-Musik, der man wiederum auch ein Quentchen Ironie abhören kann. Baillie war neben Brakhage oder Anger einer der wichtigsten Filmemacher der amerikanischen Avantgarde der 60er Jahre. In Filmen wie Mass for the Dakota Sioux oder Quixote war ihm, über den persönlichen Ausdruck hinaus, ein kritischer Diskurs zur amerikanischen Zivilisation und Politik ein zentrales Anliegen. Pietà enthält im Keim eine heute wohl mehr als fragwürdige Utopie: jene eines glücklichen und natürlicheren Lebens abseits von Zivilisation und Gesellschaft. Baillies Bilder haben für uns leicht etwas Klischeehaftes; ihr Symbolcharakter ist jedoch nicht überzubewerten, vor allem dann nicht, wenn wir die Idee des (filmischen) Haikus ernstnehmen. Denn nach Barthes will der Haiku nichts sagen, will der westlichen Interpretationsmanie gerade entgehen. Er beschreibt nicht, sondern versucht vielmehr, fragile Essenz der Erscheinung zu sein, buchstäblich unfaßbare (wenngleich alltägliche) Augenblicke zu fassen. Das Ereignishafte wie das Persönliche an den Bildern Baillies ist im Blick zu behalten: Schließlich ist es seine Familie, seine Welt, die er uns zeigt. An die Naivität und die Verwundbarkeit solcher Bilder knüpft sich die leise Hoffnung, daß sie im Kino (nicht nur als Spot) heute noch möglich sind. (Thomas Korschil)
Pietá (Viennale Trailer 1998)
1998
Österreich, USA
1 min 10 sek