Günther 1939 (Heil Hitler)
Der Film Günther 1939 (Heil Hitler) besteht aus found footage, gefundenem und neu bearbeitetem Amateurfilmmaterial aus dem Jahre 1939. Die Bearbeitung durch Johannes Rosenberger kommt einem Protest gleich: blanke Empörung, aus gutem Grund unsubtil. Der vorgefundene Amateurfilm eines Familienvaters besteht aus drei Erzählungen:
1. Meine schöne Frau hat ein schönes Kind geboren. Sieh wie sie mich ansehen.
2. Da unten auf der Straße zieht die Parade vorbei, sieh die Uniformen und die vielen Menschen. Und jetzt kommt der Hitler!
3. Da waren wir auf Urlaub: im Segelboot, im Wald.
Rosenberger wiederholt diese drei Stücke in der ursprünglichen Reihenfolge mittels Re-Fotografie auf dem optischen Printer. Seine Eingriffe: Er streicht die Bildgrenzen hervor, indem er das Außen des Bildes und den Kaderstrich mitfotografiert; er verlangsamt den Rhythmus und betont damit das Suchbildhafte eines historischen Moments (Hitler fährt vorbei); er führt eine Tonebene ein, die rhythmisch kratzende Schläge, einen gellenden Sinuston und Robert Schumanns Mai, lieber Mai, bald bist du wieder da enthält.
Der Protest, den diese Eingriffe implizieren, gilt dem verdinglichenden Blick des Amateurfilmers. Im Vorgang des Protokollierens nennenswerter Augenblicke eines Lebens wird alles gleich, alles Besondere gleich gültig. Hinter diesem Blick lugt der passive und positivistische Bourgeois hervor.
Die Amateurfilmapparatur beschreibt mit unsichtbarer Schrift Millionen Kilometer Alltagswirklichkeit. Rosenbergers Film über den Amateurfilm protestiert weniger gegen die Inhalte dieser Schrift als gegen ihre Verknüpfungslogik, ihre Grammatik, die eine Ideologie ist und herzlos (wenngleich sentimental). (Alexander Horwath)
Günther 1939 (Heil Hitler)
1994
Österreich
8 min