Grosse Ferien
Viele Österreicher können sich noch genau erinnern, wie sie jenen Sommer im Jahr 1978 verbracht haben, als die Fußballnationalmannschaft in Argentinien eines ihrer besten WM-Turniere spielte. Als Höhepunkt wurde Deutschland in Cordoba mit 3:2 besiegt, und der Radio-Reporter Edi Finger wurde unsterblich, weil er "narrisch" wurde. Diesen Sommer verbringt der neunjährige Tondo (Niki Ryba) in Wien: Große Ferien ohne die große Fahrt, die sich die Nachbarn leisten können. Die langen Sommerferien haben ihren eigenen Rhythmus: Zu Beginn scheint die Zeit wie suspendiert, gegen Ende läuft sie davon. Antonin Svobodas mittellanger Spielfilm vermittelt perfekt eine Stimmung aus Trägheit und sexueller Schwüle. Das Gasthaus als der zentrale Ort, die Requisiten, in denen sich die späten 70er Jahre manifestieren (großartig ist etwa eine Szene, in der Tondo von der größeren Schwester zu einem Freund mitgenommen wird und dort mit einem Fahrradmodell zum Spielen geschickt wird, wie es nur in den Glamour-Seventies erfunden werden konnte die Pelze als Heckspoiler sind das entscheidende Detail), die kleinen Tricks hinter der Theke, mit denen der Vater die Kunden bei Laune und das Geschäft am Laufen hält, die bettlägrige Nachbarin, der Tondo täglich das Essen bringt - das alles fügt sich zu einem von Tondo weitgehend kommentarlos und nach außen recht ungerührt erlebten Reigen aus mehr oder minder skurrilen, "kakanischen" Ereignissen. Trotzdem ist Große Ferien im Grunde ein realistischer Film, meilenweit entfernt von der Ausbeutung von Wien-Klischees, wie sie das österreichische Kino häufig betreibt, und mit einem veritablen Jungstar in der Hauptrolle. (Bert Rebhandl)
Grosse Ferien
1997
Österreich
40 min