Ein drittes Reich
Alfred Kaisers erster Film Ein drittes Reich beginnt mit der Widmung an Peter Kubelka, der - mit geringfügigem Abstand - eine weitere an Peter Konlechner hinzugefügt wird, ergänzt durch "dem österreichischen Filmmuseum und seinen Mitarbeitern". Das zweite Insert betrifft die Finanzierung seiner Filme durch das Unterrichtsministerium, was er nicht ohne Ironie im Rhythmus der dazu montierten Marschmusik bekanntgibt. Dieser knappe Vorspann wäre eigens eine kleine Analyse wert, so beziehungsvoll ist er in der österreichischen Filmgeschichte der siebziger Jahre, aber Kaiser deutet darin auch schon an, was im folgenden in der Kollision von Bild und Ton sein Prinzip sein wird: Ein drittes Reich basiert auf der Verwendung von Film- und Tonmaterial der Reichsfilmindustrie der Nationalsozialisten, teilweise sehr prominenter Propagandafilme (Leni Riefenstahls Triumph des Willens, Svend Noldans Sieg im Westen und an zentraler Stelle Gustav Ucickys Heimkehr), aber auch relativ unbedeutender "Kulturfilme", in denen sich die alltägliche Ästhetik des "Dritten Reichs" sehr offen manifestierte. Hartmut Bitomsky schrieb 1983 über das Montageprinzip der Kulturfilme: "Durch jeden Schnitt geht eine gleichförmige Bewegung durch, sie ergreift mit rotierenden, stoßenden Gesten jedes Bild, das in den Weg kommt." Kaiser radikalisiert dieses Prinzip so, daß es in sein Gegenteil umschlägt: Er zerlegt die filmischen Abläufe, bis das Material an seinen eigenen Widersprüchen erstickt.
Die ersten zehn Minuten verlaufen dabei durchaus noch konventionell: Bild und Ton kommentieren sich gegenseitig. Offensive Kriegsrhetorik wird mit deutlich sexuellen Bildern begleitet. Das Zuschlagen der deutschen Luftwaffe wird sowohl mit der Deflorationsmetaphorik als auch mit industriellen Fertigungsbildern illustriert; den Intentionen und Implikationen der Nazi-Propaganda kommt Kaiser vorerst nur bei durch Übersteigerung bis ins Groteske. Als erstes deutliches Irritationsmoment setzt er dann die berühmten Worte der Paula Wessely (noch ohne Bild): "Dann wird uns ganz wunderlich werden ums Herz" - ein Schlüsselsatz ihres großen Deutschland-Monologs aus Heimkehr. Diesen Monolog bringt Kaiser fast vollständig und weitgehend im Rhythmus von Ucicky, aber an zentralen Stellen mit Zwischenschnitten, die das Pathos skeptisch aufbrechen.
Dann kommt unvermutet ein Zwischentitel: "Ende", aber der Film ist noch keineswegs zu Ende. Immer deutlicher wird eine zweite Ebene der Narration erkennbar (neben der unmittelbaren, mikroskopischen Verschränkung von Bild und Ton), die vom Aufschwung zur Zerstörung reicht. Wieder sind Wellen zu sehen wie zu Beginn, ein Baby, dann Weizen (die Fruchtbarkeitssymbole), aber Sirenen künden bereits vom Ende. Dazu fährt eine Kamera durch menschenleere Monumentalarchitektur, eine Stimme Hitlers fordert bedingungslosen Gehorsam, sehr knapp danach geschnitten hört man ein "Ich halts nicht mehr aus", und dann verfällt Ein drittes Reich in die monosyllabische, musikalische Montage, die so deutlich auf die Kakophonie von Kaiserschnitt vorausweist, und im Schwarzfilm des Endes klingen noch die Heil-Rufe nach.
(Bert Rebhandl)