TORQUE
Mit Torque begibt sich Björn Kämmerer erneut an die Schnittpunkte von Abstraktion und Gegenständlichkeit, Geometrie und Bewegung. In seinen beiden letzten Filmen Gyre und Turret löst er statische Objekte aus ihrem Kontext, um sie in Bewegung zu setzen. Über die Kadrierung der sich drehenden Gebilde – das große Model einer hölzernen Hütte in Gyre und die Konstruktion aus Fensterrahmen in Turret – werden deren grafische Eigenschaften ausgelotet. Torque extrahiert Fragmente konkreter Architektur. Der Film zeigt eine fortlaufende Kamerafahrt quer über eine Reihe konvergierender Schienenstränge. Im Cinemascope-Format wird der Kamerablick fast unmerklich über eine graduell ansteigende Neigung moduliert und somit langsam die räumliche Ausdehnung des Schienenverlaufs sichtbar. Diese Doppelbewegung entlang der verschiedenen Bahnen, die über zwei getrennte Achsen verläuft, produziert visuelle Spannung. Die Erfahrung von Renaissanceperspektive in der sich ausdehnenden Tiefe bricht mit dem Bild der Schienen als abstrakte, diagonal verlaufende Linien auf der zweidimensionalen Projektionsfläche.
Die unheimliche Koexistenz der kontinuierlichen Seitwärtsbewegung auf der Leinwand und der Ausrichtung konvergenter Schienenwege schiebt und zieht den Betrachter gleichzeitig in verschiedene Richtungen. Es entsteht ein dynamisches Verhältnis zwischen den geometrischen Elementen – den homogenen Linien der Gleise – und den Substraten – Kies und hölzerne Schwellen, die in ihrer individuellen Beschaffenheit dem eigentlichen Ort im Film zugehören. Die parallel verlaufende Leere des Mono-Soundtracks formt ein fast unhörbares Echo der Schienen. Auf einer metaphysischen Ebene deutet diese Reise eine scheinbar endlose Proliferation von Vergangenem, Gegenwärtigem und Zukünftigem an. Torque zeichnet eine zentrale Achse für das Reisen durch Raum und Zeit.
(Kate MacKay)
Übersetzung: Janina Arendt
Die Kamera schweift über schier endlos parallel laufende Schienenstränge. Im titelgebenden Drehmoment verloren, sucht der/die Betrachter/in vergebens nach Anhaltspunkten. Während die stete Seitwärtsbewegung mit der imaginären Sogwirkung der diagonal verlaufenden Zuggleise kollidiert, wird der Kamerablick unmerklich moduliert: Der Raum weitet sich in die Tiefe, Zeitlichkeit scheint obsolet.
(Katalogtext Diagonale 2013)
Torque generiert im Gegensatz zu Gyre oder auch Turret den abstracten Moment ausschließlich über den Bildausschnitt und die Kamerabewegung. Zwar folgt auch Torque dem Prinzip einer Plansequenz, jedoch zeichnet der Film keinen konstruierten artifiziellen Raum.
Die Änderungen des Blickes, der immer wieder in seiner Struktur ähnliche aber dennoch unterschiedliche Bilder zeigt, wird langsam und unmerklich über die Dolly-Fahrt perspektivisch verschoben. Mit dem Stillstand und der darauf folgenden "Bildkorrektur" gleitet die Kamera in den Nahbereich der Anfangspositio, wo ein abrupter Abriss ins Schwarz schliesst. Torque transformiert die Laufbilder in einen abstrakten Raum, der sowohl durch die Film-untypische Bewegung zu den Objekten, der Fahrt in der Fahrt, als auch durch das Fragment einer realen Architektur entsteht.
(Björn Kämmerer)
TORQUE
2012
Österreich
7 min