Under the Underground
Man sollte einige der Dinge, die in diesem Film zu besichtigen sind, besser nicht zu Hause probieren, wenn man keinen größeren Wert darauf legt, sich beispielsweise unversehens einen Starkstromschlag durch den Körper zu jagen. Denn in dem fast schon surrealen Paralleluniversum, das der Wiener Musiker, Ingenieur und Tontechniker Chris Janka sich in weitläufigen Katakomben irgendwo im siebenten Bezirk eingerichtet hat, finden ungesicherte elektrotechnische Experimente statt, als wäre das ganz normal. Janka baut und bastelt unaufhörlich an seinem Equipment, scheint aber auch helle Freude an Erfindungen und Versuchsanordnungen zu haben, deren Zweck sich Außenstehenden nicht wirklich erschließt.
Ende der 1980er-Jahre teilten sich Hausbesetzer und Punks diesen Ort noch mit den rudelweise auftretenden Ratten, inzwischen stehen dort Verstärker, Schlagzeuge, Retro-Bandmaschinen und -Mischpulte für den professionellen Aufnahmebetrieb. Regisseurin Angela Christlieb porträtiert in dynamischen, vielfach bearbeiteten Bildern Schauplatz und Zeremonienmeister, webt musikalische Intermezzi (mit kompromissbefreiten Nischen-Acts wie Blueblut, Schapka, Petra und der Wolf und MCRhine) ein, lässt auch den Bruder des Hausherrn, Ali Janka, Mitglied der Künstlergruppe Gelitin, auftreten. Gemeinsam erläutern die Gebrüder Janka, die Christlieb als heilige Narren abwegiger Kunstpraktiken in Szene setzt, wie aus den Kellergängen über die Jahrzehnte ein Studio wurde, wie absurd, aber auch punk-romantisch die frühen Jahre sich dort anfühlten, als man ohne Strom, Geld und Wasser an jenem Ort lebte. Eine Prise Lebensgefahr immer inklusive. Die wirklich akute Bedrohung allerdings, der das Underground-Paradies ausgesetzt ist, liegt außerhalb – auch außerhalb der nicht-ökonomischen Logik, mit der hier gearbeitet wird. (Stefan Grissemann)
Chris Janka und sein Bruder Ali sind leidenschaftliche Tüftler, Künstler, Musikliebhaber, Tonfreaks und Elektronerds. Sie haben den leer stehenden Keller eines Fabrikgebäudes, das sie in den 1980er-Jahren bezogen haben, zu einem Ort gemacht, der einmalig ist (nicht nur in Wien): ein kreativer Mikrokosmos der lokalen Subkultur. Doch dem Keller droht nach dreißig Jahren das Aus, der neue Besitzer will den Mietvertrag nicht verlängern. Angela Christliebs Dokumentarfilm führt durch die selbstgebauten und improvisierten Räume des unterirdischen Laboratoriums im 7. Bezirk, Janka Industries genannt, in denen Voodoo Jürgens und Bands wie Petra und der Wolf oder Tankris inmitten eines skurrilen Elektroschrott-Sammelsuriums proben und performen. Ein Musikfilm und eine ultimative Undergroundhommage, die die Magie des Ortes filmisch einfängt. Ein Statement für die Dringlichkeit und die Schönheit von Subkultur.
(Diagonale 2019, Katalogtext, ast)
Jurybegründung beste Musikdokumentation beim UNERHÖRT! Musikfilmfestival 2019
Under the Underground
2019
Österreich
54 min