Aimless Walk - Alexander Hammid
Filme zu machen in der Manier eines "Spaziergangs ins Blaue" ist ein schönes Ziel und ein überaus schwieriges Unterfangen. Die Apparatur und der komplexe Produktionsprozeß eines Films stehen der Idee des ziellosen Flanierens, das für jegliches Flimmern der Welt empfänglich sein möchte, oftmals im Wege. Den dokumentarischen Filmen von Martina Kudláček - zuletzt L´amour fou / Ludvik Svàb, nun Aimless Walk / Alexander Hammid - ist diese Schwierigkeit kaum anzusehen: Kamera und Tonbandgerät zeichnen flüchtige Beobachtungen und winzige Details mit einer leisen Genauigkeit auf, die man sonst nur vom Zeichenstift oder der Füllfederschrift kennt.
Als Künstlerportrait versagt sich Aimless Walk / Alexander Hammid sowohl die Mythisierung des gewählten Subjekts als auch jene Fakten- und Informationsflut, die viele Dokumentarfilme zu trockenen Schulstunden werden läßt. Der Film interessiert sich für die scheinbaren Nebensachen im Leben des Fotografen und Filmemachers Alexander Hammid, geboren 1907 als A. Hackenschmied in Linz. Und er respektiert dessen Wünsche: "I don't like to talk. I express myself always in images. Otherwise I like silence." Die Nebensachen sind Hammids Hauptsachen: die täglichen Handgriffe in seiner New Yorker Wohnung, wie er einen Knopf annäht, sein eigenes Joghurt herstellt, in Büchern blättert; oder seine langen Wege und Subway-Fahrten durch Manhattan, in denen sein erster Film aus dem Jahre 1930 nachhallt: Bezùcelnà prochàzka - Aimless Walk, gedreht zur Hochblüte der Prager Filmavantgarde, noch vor der Emigration.
Kudláček assoziert ihre Beobachtungen durchgängig mit schönen Passagen aus Hammids Experimentalfilmen - z.B. mit dem Klassiker Meshes of the Afternoon, den er 1943 gemeinsam mit seiner Frau Maya Deren produzierte. Aus Splittern werden Ketten geknüpft, Geräuschfäden und flüsternde Bilder werden ganz dicht: das ist der Tonfall des Films. (Alexander Horwath)
Mit Ausschnitten aus den Experimentalfilmen:
Bezùcelnà prochàzka - Aimless Walk (1930) by Alexander Hackenschmied
Meshes of the Afternoon (1943) by Maya Deren und Alexander Hammid
Private Life of a Cat (1945) by Alexander Hammid
Alexander Hammid
Geboren 1907 in Linz als Alexander Hackenschmied, wuchs in Prag auf. Filmkritiker und Fotograf. 1930 Experimentalfilm Bezùcelnà prochàzka (Spaziergang ins Blaue), später Dokumentar- und Werbefilme. Mit Herbert Kline politischer Dokumentarfilm Crisis über die Tschechoslowakei vor dem 2. Weltkrieg. 1939 Emigration nach Amerika, Namensänderung in Hammid. 1942 - 1947 Experimentalfilme mit Maya Deren (u.a. Meshes of the Afternoon ). Mit Francis Thompson Pionierprojekte (Mehrfachprojektion, IMAX), für den Film To Be Alive Oscar für den besten Dokumentarkurzfilm 1966.
Alle Bilder münden ins Meer (Kritik)
Wien - "This is the holy grail of cinema!" Gleich zu Beginn holt Jonas Mekas, Leiter der New Yorker Anthology Film Archives, Filmdosen hervor und gerät in Ekstase. Sie enthalten weitgehend unveröffentlichtes Material der Filmemacherin Maya Deren. Mit nur sechs Arbeiten hat die 1917 in Kiew geborene Künstlerin das US-Avantgarde-Kino mitinitiiert; ihr erster Film, Meshes of the Afternoon (1943), ein Traum, der sich immer tiefer ins Unbewusste gräbt, gilt als einer der einflussreichsten "Underground"-Filme überhaupt.
So weit ein paar Fakten, so weit ein paar Bedingungen des Mythos. In the Mirror of Maya Deren, das Dokumentarfilm-Porträt der Regisseurin Martina Kudlácek, nähert sich der Filmemacherin in einer Art Gratwanderung, auf mehreren Wegen: Sie versteht es, die Aura, das Fiktive an der Figur Derens, die in ihren Arbeiten meist auch vor der Kamera stand, zu erhalten, verliert sich aber nicht in der Huldigung einer autonom agierenden Ausnahmekünstlerin.
Vielmehr dringt sie zu den Grundlagen ihres Werks vor, zeichnet ihre konzentrierte, genaue Arbeitsweise nach und lässt sie vor allem in raren Tonbandaufnahmen auch selbst darüber zu Wort kommen. Die Chronologie gibt dabei das Schaffen selbst vor, und die einzelnen Filme führen unweigerlich zu einstigen Weggefährten wie etwa ihrem ersten Ehemann, dem Regisseur Alexander Hammid/ Hackenschmied - dem Kudlácek schon mit Aimless Walk (1997) ein eigenes Porträt gewidmet hat.
"Göttin der Illusion"
Er war es auch, sagt er in einem der Interviews in In the Mirror of Maya Deren , der den Künstlernamen Maya für sie fand - in der Hindu-Mythologie bedeutet er "Göttin der Illusion". Anekdotisches und Privates, das Derens unverwechselbaren Stil ("ein Hippie der 40er-Jahre") unterstreicht, vereint sich so allmählich mit Aussagen über ihre künstlerischen Strategien, die wiederum an gut gewählten Filmausschnitten "überprüft" werden (können).
Wesentlichen Stellenwert erhält dabei Derens Auseinandersetzung mit modernem Tanz, den ihr die Choreographin Katherina Dunham erstmals nahe brachte, denn die Beschäftigung mit Rhythmus und Bewegung blieb eines der Fundamente ihres Werks. Sie führte die Filmemacherin zuweilen in scheinbar abgelegene Gebiete: So setzte sich Deren intensiv mit dem Voodoo-Kult auseinander, schrieb darüber sogar ein Buch.
Kudlácek integriert diese weniger bekannte Seite schlüssig in das Bild einer Künstlerin, die sich unaufhörlich nach neuen Ausdrucksformen umsah und diese auch an sich selbst erprobte. Auf Interpretationen legt sich In the Mirror nicht fest, sie klingen in den Gesprächen mit dem Filmpublizisten Amos Vogel, dem Filmemacher Stan Brakhage oder Mekas nur an: Man mag es mit der Traumdeutung, mit einer Poetik der Intensitäten halten - Kudlácek begnügt sich mit assoziativen Überschneidungen, fügt oft das Meer als Metapher ein, die gleichsam auf die Vielseitigkeit und Wandelbarkeit Derens verweist.
(Dominik Kamalzadeh)
Aimless Walk - Alexander Hammid
1996
Tschechien, Österreich
48 min