31/75 Asylum
A meadow, a lake, the silhouette of a hill, trees. 21 days of the same view in Saarland. 21 days with five different cut-outs in a mask before the camera, which finally reveals a complete panorama. A landscape changes with the advancing seasons and becomes slowly delirious in its technical alienation.
(Claus Philipp)
The camera with a sun shade is mounted on a heavy tripod in front of a window. Over 21 consecutive days the view outside is filmed from this perspective. The same three rolls of film (totalling 90 m) are used one after the other each day while the mask in front of the camera lens is changed every day. Each of the 21 masks made of black cardboard has four or five small rectanglular openings: all these openings together would clear the full view. For each take (one day) not only the mask is used, but sometimes the diaphragm is closed completely. This change differs from take to take. For instance, on the first day the mask is used from meters 1 to 21 then the diaphragm of the lens is closed until meter 28. The diaphragm is then again opened from meters 29 to 42, etc. For the 14th take however the diaphragm is only opened after 20 meters so that the change from open to closed diaphragm takes place at different meter values. The picture is changing constantly. Sometimes only a portion of the emulsion is exposed, the other area remains unexposed. At 21 meters the whole picture can be seen for the first time, consisting of all the openings of the masks. Towards the end of the film the unmasked view is shown for a short moment. Since the weather was changing throughout the time of shooting (March/April) the brightness of the picture is very different from take to take. Sometimes snow is seen on the ground. The transformations of a landscape within 21 days are shown simultaneously in a static image. The exchange of the masks does create movement, but not as a course of time towards a goal.
(Birgit Hein, 1977)
Michael Palm zu 31/75 Asyl von Kurt Kren
In Asyl befestigt Kren verschiedene Lochmasken vor der Optik, die übereinandergelegt das ganze Bildfeld freigeben. Kren läßt den Film zu verschiedenen Zeiten mehrmals durch die Kamera laufen, wobei die Masken nach einem bestimmten Schema ausgetauscht werden. Die Lochmaskentechnik, das additive bzw. subtraktive Auftragen von Bildpunkten während des mehrfachen Durchlaufs der Filmrolle erinnert dabei schon eher an den Rechenvorgang eines Computers, der nach einem einfachen Algorithmus für die ständige Permutaion der Masken (oder soll man sagen: Lochkarten) sorgt. Auf jeden Fall ist es zunächst einmal der Raster, der mich beschäftigt. Er zerteilt das Bildfeld in viele "molekulare", gleichberechtigte Punkte, die in ihrer ständig wechselnden Konstellation ein immer wieder neues Bild ergeben. Man kann also nicht einfach sagen: Der Film zeigt eine idyllische Waldlichtung, einen Weg, ein Gatter im Herbst. Man muß sagen: Im Augenblick sehe ich links unten Schnee liegen, während rechts auf halber Höhe noch (oder: noch immer; oder: schon wieder) Laub liegt, und da und dort geht einmal ein Menschlein, um im nächsten Rasterloch wieder zu verschwinden.
Während der Vorgang der seriellen Rasterung und Bildsynthese schon mehr an digitale Bildtechniken gemahnt, fragt man sich immer noch nach einem analogen, empirischen Ab-Bild. Doch die Synthetisierung zum Ganzen findet nicht statt, die Landschaft als idyllisches Refugium bleibt virtuell, weit entfernt, und gerade darin liegt das Drama des Sehens in Asyl. Man kann niemals ganz dorthin kommen (nein halt: Ab und zu kann es sich Kurt Kren, der Spieler, nicht verkneifen, kurz ein kohärentes Bild der pastoralen Szenerie aufblitzen zu lassen). Eine derart radikale Fraktionierung des Bildes in seine molekularen Bestandteile und die differierenden zeitlichen Zusammenhänge (Multitemporalität) führen schließlich zur ständigen Neu-Konstruktion des Bildes und verhindern die Rekonstruktion eines repräsentativen Bildes ebenso wie die Festsetzung von Identität.
Wenn man davon ausgeht, daß Krens Filme insofern experimentell sind, als sie eine befremdliche, zerstreute Physik der Zeit erschaffen, ist Asyl ein Laboratorium der Wahrnehmung: Der Film bringt ein fragiles, unmittelbar genetisches Bild hervor, ein Bild der Wahrnehmung in actu. "When we realize that these images make up one landscape, we become aware of the multiplicity of circumstances involved in perception. We realize we can never really know this pastoral scene, which we can only partially see. As we become aware of the multiplicity of what is perceived, we become aware that we must actively look, if we are to see."
(Michael Palm: Which Way?, Drei Pfade durchs Bild-Gebüsch von Kurt Kren, in: Hans Scheugl (Hrsg.), Ex Underground Kurt Kren. Seine Filme, Wien 1996)
Birgit Hein & Wulf Herzogenrath zu 31/75 Asyl von Kurt Kren
In jedem Durchgang (1 Tag) wird eine Maske nicht voll eingesetzt, sondern ab und zu wird auch die Blende ganz geschlossen. Dieser Wechsel ist in jedem Durchgang anders. So wird z.B. am ersten Tag durch die Maske von 1-21 Meter gefilmt, dann wird die Blende bis 28 Meter geschlossen, dann wieder von 29-42 Meter durch eine Maske gefilmt usw., von 71-90 Meter bleibt die Blende geschlossen. Im 14. Durchgang dagegen wird die Blende erst ab 20 Meter geöffnet, entsprechend verschiebt sich der Wechsel von Maske und geschlossener Blende. Das Bild verändert sich so ständig. Zeitweilig sind jeweils nur Teile der Filmschicht belichtet, andere bleiben dunkel. Bei 21 Meter ist zum ersten Mal das ganze Bild, zusammengesetzt aus allen Öffnungen aller Masken, zu sehen. Gegen Ende des Films wird einmal das unmanipulierte (ohne Masken gefilmte) reale Bild kurz gezeigt.
Da das Wetter während der Aufnahmezeit (März/April) sehr stark wechselte, zeigt das Bild unterschiedliche Helligkeiten, an einigen Stellen liegt Schnee. Die Veränderung einer Landschaft innerhalb von 21 Tagen wird hier gleichzeitig in einem statischen Bild erfaßt. Durch den Wechsel der Masken entsteht zwar Bewegung, dieser ist aber nicht als zielgerichteter Zeitablauf faßbar.