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Friederike Pezold (Pezoldo) Retrospektive im Anthology Film Archives, NY (10. bis 16. März)

Friederike Pezold (Pezoldo) Retrospektive im Anthology Film Archives, NY (10. bis 16. März)

Revolution der Augen (2022, 75 min.)
Canale Grande (1983, 88 min.)
Toilette (1979, 78 min.)

Die Fotografin, Performerin, Video- und Installationskünstlerin Friederike Pezold (Pezoldo), die mit CANALE GRANDE (1983) einen faszinierenden Ausflug ins Spielfilmfach unternahm, ist eine aufregende Multimediakünstlerin, die in den USA weit mehr Anerkennung verdient, als sie bisher erhalten hat. Pezolds Werk ist vor allem durch ihre Beschäftigung mit der Schnittstelle von Technologie, Medien und Körper geprägt, ein Thema, das sie in vielen verschiedenen Formen erforscht hat. Die 1945 in Wien geborene und in München ausgebildete Künstlerin ist vor allem für ihre Fotoserien und Mehrkanal-Videoarbeiten bekannt, in denen sie ihren eigenen Körper in den Mittelpunkt stellt - und tendenziell dekonstruiert. Emblematisch ist ihr abendfüllendes Video TOILETTE (1979), das in 78 Minuten verschiedene Teile ihres Körpers fokussiert und isoliert und ihnen sowohl eine gewisse Monumentalität als auch eine rätselhafte (und komische) Abstraktion verleiht. TOILETTE spiegelt ein übergeordnetes Ziel von Pezolds Arbeit wider: Subjekt und Objekt zugleich zu sein.

Einige Jahre zuvor hatte Pezold ein fortlaufendes Projekt mit dem Titel "Radio Free Utopia" ins Leben gerufen, bei dem sie einen speziellen Apparat entwarf, der es ihr ermöglichte, sich durch die Stadt zu bewegen und Videos zu drehen, die gleichzeitig über einen geschlossenen Kreislauf auf einem an ihrem Körper befestigten Monitor angezeigt wurden. "Radio Free Utopia" war eine radikale und witzige Erweiterung der utopischen Ideen anderer Videokünstler*innen jener Zeit, die entschlossen waren, die eingeschränkten Produktions- und Vertriebskanäle der kommerziellen Mediennetze zu umgehen. Sie wurde auch zum Vorwand für CANALE GRANDE, dessen Protagonistin - gespielt von Pezold selbst - mit dem "Radio Free Utopia"-Gerät ausgestattet durch Wien und Berlin wandert. Für den damaligen Kunstkontext untypisch wurde CANALE GRANDE jedoch auf 35mm gedreht, unter anderem von der versierten Filmemacherin und Kameramann Elfi Mikesch. Die ungewöhnliche und provokante Verbindung von Film und frühem Video verbindet die visuelle Schönheit und Textur des Films mit der Beschäftigung des frühen Videos mit neuen Möglichkeiten der Bildproduktion und -verbreitung und spiegelt gleichzeitig die Befreiung des neuen Mediums von den Konventionen des narrativen Dramas wider.

Nachdem wir CANALE GRANDE im Jahr 2018 vorgeführt und sehr geschätzt haben, freuen wir uns, den Film, neben TOILETTE, im Februar eine ganze Woche lang  zu zeigen und die US-Premiere von Pezolds jüngster Bewegtbildarbeit REVOLUTION DER AUGEN (2022) zu präsentieren, einem für sie typisch einzigartigen, witzigen und nicht kategorisierbaren Werk, in dem Pezold über die Veränderungen der Wahrnehmung und des Verhaltens meditiert, die durch die neuen Technologien unserer Zeit hervorgerufen werden. (Jed Rapfogel)

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Peter Weibel 1944-2023

Peter Weibel 1944-2023

Dicke Wirklichkeit oder doofe Wirklichkeit: Peter Weibel ist tot. In DENKAKT aus dem Jahr 1968 zeigt Ernst Schmidt jr. den noch jungen Rebellen Weibel beim Denken auf einem Balkon sitzend, er trägt ein Bazooka Leiberl, eine ehemalige Kaugummi-Marke. Zu hören ist ein Text, indem der in der österreichischen Medienkunst wegweisende Theoretiker und Künstler anhand der Figuren Dick und Doof über die Wirklichkeit (und das Medium Film) sinniert, ein Thema, das ihn sein Leben lang begleitete. Ein Charakteristikum Weibels war immer, dass er schnell und viel gesprochen hat, in der Tonart die Lust an der Vermittlung und der Entwicklung von Ideen sogar während des Sprechakts heraushören ließ, ja sein Denken unmittelbar in Worte goss. Und Ideen hatte dieser Mann sehr, sehr viele. Legendär seine zahlreichen Kooperationen mit VALIE EXPORT, wie AUS DER MAPPE DER HUNDIGKEIT, das TAPP UND TASTKINO oder UNSICHTBARE GEGNER, wofür er das Drehbuch beisteuerte und als Darsteller mitspielte. Auch seine mit viel Humor getränkten TV-Arbeiten bleiben unvergessen, die er ganz der Medienkunst entsprechend, im Medium TV, damals also im ORF, realisierte und ein gern gesehener Gast blieb. Im Rahmen des Diskussionsformats „Club Zwei“ ließ er sich beispielsweise in der Aktion ZEITBLUT live Blut abnehmen, das in einem Glasbehälter vor der Kamera sukzessive das Bild anfüllte und somit in die Bildschirme der österreichischen Haushalte ran. Als Mediendichter bezeichnete er diese Aktion als „Telekommunikation,“ sein ganz essenzieller Kommentar zur Frage des Abends: „Wofür Kunst und von wem bezahlt?“ Ein Advokat für die Kunst ist Weibel immer geblieben, sei es als Künstler, als Ausstellungskurator, als langjähriger Leiter des ZKM oder in seiner umfassenden Lehr- und Publikationstätigkeit. In einem track seiner Kultband Hotel Morphila Orchester singt Weibel einmal eher einschlägig als perfekt: „Die Medienkanäle sind meine Körperkanäle.“ Das war wohl wahrhaftig genauso zu verstehen. Rest in Peace – unsere herzliche Anteilnahme gilt seiner Partnerin Susanne Widl, den Angehörigen und Freund*innen.