Prises de vues
Prises de vues variiert ein archaisches Thema: Den Verlust - oder genauer - die Abwesenheit des Vaters und die damit eng verbundene Suche des Sohnes nach Identität. Wir begleiten den jungen David durch einzelne, psychologisch-markante Stationen seines Lebens: Vom Säuglingsalter, über die Jahre der Adoleszenz, von seiner Ausflucht ins Strichermilieu bis hin zur eigenen, bevorstehenden Vaterschaft. Eine Biographie, eine Leidensgeschichte, erzählt in knappen 11 Minuten.
Meises Debütfilm formuliert sein ästhetisches Konzept bereits im Titel (zu deutsch: Filmaufnahmen). Er nähert sich dem Vater/Sohn Topos nicht so sehr über eine narrative Kontinuität an, als vielmehr über einen komplex angelegten
Bilderkatalog: Kunstsinnig arrangierte und bevorzugt streng symmetrisch kadrierte Einstellungen, die immer wieder zu sinnstiftenden tableaux vivants gefrieren, machen die innere Erstarrung seiner Figuren auch nach außen hin sichtbar. Durchzogen sind die kühlen Bilddesigns von einem in sich geschlossenen, farbintensiven Symbolismus: das symptomatische Nasenbluten Davids, eine blaue Schallplatte (auf der ein ebenso zeichenhaftes Thema von Steve Reich zu hören ist), Orangen oder ein weißes Sakko - Symbole und Farben, die sich sukzessive etablieren, bis sie sich fast zur Gänze in jener Schlüsselszene verdichtet wiederfinden, in der es zu einer verstörenden, aber nicht weniger erlösenden Inzestbegegnung zwischen David und einer potentiellen Vaterfigur kommt. Sie ist nicht zuletzt deshalb auch Höhepunkt, weil Meise hier nachdrücklich veranschaulicht, dass er sich einer betont formalistischen Bildsprache weit mehr verpflichtet fühlt, als einer vor allem im jungen österreichischen Kino forcierten wirklichkeitsnahen Erzählweise.
(Lukas Maurer)
In Prises de Vues ist es ein männlicher Regisseur (Se Meise), der eine junge Frau als Erzählinstanz einführt: Auf Französich erzählt eine Imbissverkäuferin aus dem Off von ihrer Begegnung mit einem Strichjungen und dessen Suche nach dem verlorenen Vater. Eine äußerst präzis strukturierte Arbeit, die auf engstem Erzählraum (elf Minuten) schlaglichtartig einen ganzen Lebenslauf beleuchtet. Und es geht weiter: Indem der Film mit seinem Anfang endet, setzt sich die Irrfahrt des Sohnes ins Unendliche fort.
(Maya McKechneay, In: FALTER, Nr. 3/03 17.01.)
Prises de vues (texte français)
Ce premier film de Meise annonce dès le titre sa conception esthétique. En effet, son approche du topos de la dualité père/fils passe moins par une continuité narrative que par un album de photos à lagencement complexe. Des plans artistiquement construits et au cadrage en général dune rigoureuse symétrie, se figeant à intervalles réguliers en tableaux vivants lourds de sens, extériorisent linertie intérieure des personnages.
Lesthétique froide des images est traversée par un symbolisme parfaitement cohérent au chromatisme intense le symptomatique saignement de nez de David, un disque bleu (qui permet dentendre un thème tout aussi caractéristique de Steve Reich), des oranges ou un veston blanc : des symboles et des couleurs qui sinstallent petit à petit avant de se retrouver condensés, et presque au complet, dans la scène clé où a lieu une rencontre incestueuse, bouleversante et néanmoins libératrice, entre David et une potentielle figure du Père. Si cette scène constitue un paroxysme, cest aussi parce que Meise apporte ici la preuve de son affinité nettement plus forte avec un langage iconographique résolument formaliste quavec un style narratif réaliste tel que cultive le jeune cinéma autrichien.
(Lukas Maurer)
Traduction: Françoise Guiguet
Prises de vues
2003
Österreich
11 min
Kurzspielfilm
Französisch
Deutsch, Englisch