Rosa coeli

Der Film beginnt abrupt: das erste Bild zeigt halbnah einen Mann, er sitzt lesend in einem Zug.
Dann sehen wir den Mann nah. Ein Ich-Erzähler aus dem Off sagt: "Man bildet sich ein, dass man das braucht: eine Erinnerung an die Kindheit." Über all dem liegt eine Art Rauschen, es abstrahiert Geräusche einer Zugfahrt und öffnet zugleich einen Raum jenseits des Sichtbaren: akustisch führt uns Josef Dabernigs Rosa coeli in eine Höhle oder Röhre - den Schlund der Erinnerung, die Abgründe des Vergessens. Der Mann kehrt an den Ort seiner Kindheit zurück, ein mährisches Dorf. Sein Vater ist gestorben, das ist der Anlass der Reise. Sie löst einen Strudel von Assoziationen aus, über das Zurückkehren, über die Familie. Es treibt Geschichten aus der Kindheit an die Oberfläche; und wenig später sei das Kind zu groß gewesen, um sich mit dem Ringelspiel in einen glücklich machenden Schwindel zu versetzen, vergleichbar dem Effekt des Slibowitz. Das Erzählen gerät in einen Sog, in einen Rausch der Erinnerung. Wie durch ein Medium steigen durch den aus dem Off sprechenden Mann immer tiefer liegende Schichten der Vergangenheit empor, die sich lange vor der eigenen Geschichte zugetragen haben.
Die Bilder dagegen bewegen sich an Oberflächen, rund um die Faktizität der Erscheinungen: der Blick bleibt an Zimmerpflanzen hängen oder an den Unterschriften der Darsteller auf ein paar Blatt Papier. Wenn die Kamera auf die Tiefe des Raumes fokussiert, oder durch ein Fenster filmt, sehen wir dahinter - wie davor - nichts: nichts Besonderes. Der Blick ist ziellos, was er uns zeigt, ist unvorhersehbar: eine Abfolge schmuck-loser Interieurs im Stil der 50er und 60er Jahre; Ansichten einer industrialisierten Kleinstadt in Nebel und Kälte. Die Zeit ist eingefroren. Der Mann sitzt und wartet. Es ist ein Aussitzen, ein Warten auf das Weggehen.

(Sylvia Szely)


--> ROSA COELI

Orig. Titel
Rosa coeli
Jahr
2003
Land
Österreich
Länge
24 min
Kategorie
Essay
Orig. Sprache
Deutsch
Untertitel
Englisch
Downloads
Rosa coeli (Bild)
Rosa coeli (Bild)
Rosa coeli (Bild)
Credits
Regie
Josef Dabernig
Kamera
Christian Giesser
Schnitt
Josef Dabernig
Sound Design
Michael Palm
Textautor*in
Bruno Pellandini
Darsteller*in
Josef Dabernig, Wolfgang Dabernig, Kurt Fellinger, Thomas Schmid
Sprecher*in
Branko Samarovski
Produktion
Josef Dabernig
Mit Unterstützung von
BKA. Kunst, ORF, Wien Kultur
Verfügbare Formate
35 mm (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,37
Tonformat
Dolby Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
s/w
DCP 2K flat (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,33
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
s/w
Digital File (prores, h264)
Festivals (Auswahl)
2003
Viennale - Vienna Int. Film Festival
2004
Graz - Diagonale, Festival des Österreichischen Films
Cork - Int. Film Festival
Plzen - Festival of Czech Films
2005
Istanbul - Int. Short Film Festival
Stuttgart - Filmwinter, Expanded Media Festival
Graz - artimage biennial on architecture and media