Elfriede Jelinek. News from Home 18.8.88
Die Schriftstellerin Elfriede Jelinek hat sich immer wieder öffentlich über ihr Fernsehverhalten geäußert. Sie schaut viel und quer durch das österreichische Programm, selten jedoch zum Vergnügen oder als Erkenntnisgewinn. Vielmehr ist das TV-Programm eines ihrer beliebtesten Studienobjekte. Für VALIE EXPORT kommentiert sie - lässig im bequemen Fernsehstuhl sitzend - an einem bestimmten Tag dreimal die Nachrichten des ORF.
(Brigitta Burger-Utzer)
VALIE EXPORTs Film Elfriede Jelinek. News from Home 18.8.88 zeigt Elfriede Jelinek, die sich die Nachrichtensendung „Zeit im Bild“ ansieht und diese kommentiert.
EXPORT präsentiert Jelinek als Zuseherin, als Beobachterin des Tagesgeschehens, das bereits durch die Medien gefiltert ist. Jelinek ist jedoch nicht nur Fernsehzuseherin, sondern sie ist selbst Sprecherin, die die medial präsentierten Bilder kommentiert und durch Wiederholung einzelner Sätze Distanz erzeugt. EXPORT bringt durch ihren Film eine zusätzliche Ebene ein, der/die ZuschauerIn sieht das Tagesgeschehen in doppelt kommentierter Form: durch die Nachrichtensendung und durch die Autorin.
Das Filmen des inszenierten Fernsehens wird in News from Home zum „intermedialen expansiven Prozess“ und kann keinesfalls mehr mit einer Dokumentation von Wirklichkeit verwechselt werden. Damit ist auch „Zusehen“ kein passives Aufnehmen vorgefertigter Bilder und Inhalte mehr, sondern muss als Tätigkeit gesehen werden, die unterschiedlich gefüllt werden kann. Elfriede Jelineks Inszenierung als Zuseherin wird durch das Kommentieren ergänzt und tritt als Handlung, als Akt des Auswählens und Bedeutung-Gebens, ins Bewusstsein 1): Durch den „Kommentar des Kommentars“ entspinnt sich ein Diskurs, der „in“ den Zusehenden fortgesetzt werden kann (das ist eine Facette der oben genannten „Politik der Vorstellung“): Der Akt des Zusehens tritt an die Stelle, an der vormals der künstlerische Schöpfungsakt stand.
Um die „Politik der Vorstellung“ – dessen nämlich, was sich die Zusehenden vorstellen – soll es zum Abschluss gehen. Ich stelle mir vor, dass VALIE EXPORT, Kamerafrau und Regisseurin, sich schräg hinter der Kamera befindet, denn Jelinek blickt wiederholt an ihr vorbei. Ich stelle mir vor, dass Jelineks „home“ zum kollektiven „Home“ wird, denn viele Zusehende sehen News from Home. Jelinek selbst wird darin – stelle ich mir vor – zur idealen imaginären Dialog- oder genauer Monologpartnerin: Sie spricht aus, was ich (und viele andere) sich denken könnten: Die Politik der Vorstellung von News from Home, so erschafft, stelle ich mir vor, die „imagined community“ der kritisch-intellektuellen Österreicher/innen (analog zu Benedict Andersons „imagined community“).
(Katharina Pewny)
Elfriede Jelinek. News from Home 18.8.88
1988
Österreich
30 min