Hernals
In Hernals wurden dokumentarische und pseudodokumentarische vorgänge jeweils von zwei kameras gleichzeitig von verschiedenen blickpunkten aus aufgenommen. dieses material wurde in seine einzelnen bewegungsphasen zerlegt. in der montage wurde jede phase verdoppelt. die dabei verwendeten techniken variieren. der ton wurde ebenfalls verdoppelt, auch hier mit verschiedenen techniken. zwei verschieden wahrgenommene wirklichkeiten, eben aus den bedingungen des films, werden zu einer synthetischen wirklichkeit montiert, wo alles wiederholt wird. diese verdoppelung zerstört das postulat: identität von abbild und bild. verlust der identität, verlust der wirklichkeit (cf. schizophrenie). man stelle sich ein theaterstück vor, wo die akteure jeden satz zweimal sagen, jede geste zweimal machen, jede szene zweimal spielen und man begreift vielleicht die ungeheuerlichkeit unserer wirklichkeit, in der nichts wiederholbar ist. zeit wird nicht angehalten, doch verlängert, zeit als riß zwischen abbild und bild, zeit die raum schafft. (Peter Weibel)
Thomas Korschil zu Hernals von Hans Scheugl
Der lebendige Realismus dieser Montage (pseudo)dokumentarischer Alltagsszenen wird nicht durch eine direkte Manipulation des fotografischen Abbilds in Frage gestellt. Zum originär filmischen Ereignis wird Hernals durch einen drastischen Eingriff in die zeitliche Ordnung der abgebildeten Vorgänge: Die einzelnen Szenen werden, in Fragmente zerteilt, jeweils zweimal gezeigt, nicht als idente Wiederholungen, sondern in zwei verschiedenen, gleichzeitig aufgenommenen Kameraperspektiven. Die resultierende Parallelmontage sprengt das enge Korsett des konventionellen Kinos räumlich, indem der eine, privilegierende Blickpunkt aufgegeben wird und zeitlich, indem die illusionistische (Spielfilm-)Kontinuität ignoriert wird. Bewegungen und Sprachfetzen werden wiederholt, der Lauf der Zeit auf befremdende Weise unterbrochen und zerdehnt. (1995)
Stefan Grissemann on Hernals by Hans Scheugl
Perhaps as a reaction against his own one-take car travel, Wien 17, Schuhmanngasse, Scheugl here breaks up real time, doubles it for the cinema, turns trivial reality into an alien and completely un-trivial ballet of random (and randomly filmed) movements, into a musical composition of repeated, rhythmic, interlinked scraps of dialogue, and the roaring mechanical cadence of street traffic.
This is the modern dance of the cutting table choreograph, or a terse, precisely composed and fast-moving avant-garde fairy-tale from the Thousand and One motion picture miniatures.