Wien 17, Schumanngasse
eine fahrt im auto durch die schumanngasse von ihrem anfang bis zu ihrem ende wird in der weise (am 13. 1. 67) aufgenommen, daß der filmstreifen exakt im dem moment seines beginns belichtet wird, der auch der moment ist, in dem das auto vom beginn der schumanngasse startet, und daß die letzten filmmeter präzis dann belichtet werden, wenn am äußersten ende der schumanngasse die kamera gerade noch das straßenschild auffangen kann. die fahrt durch die gasse wurde in einer einzigen einstellung gedreht, ende und anfang des films sind identisch mit ende und anfang der gasse. ein filmstreifen für eine übliche 16mm kassette hat nur 30 m länge, wenn scheugl also die schumanngasse von anfang bis ende in einer einzigen einstellung filmen will, darf er dazu 2 3/4 minuten benötigen, denn diese 2 3/4 minuten sind das äquivalent der 30 m bei einer laufgeschwindigkeit von 24 bildern pro sekunde. scheugl muß daher die zeit der aufnahme berücksichtigen, die geschwindigkeit des autos entsprechend regulieren.
...die länge der straße und die länge des filmstreifens werden durch eine scheinbar verblüffende gleichung identisch: raum wird zu zeit, raumstrecke zu zeitstrecke/dauer. die rede: "die dauer des films ist gleich der dauer der fahrt durch die schumanngasse, nicht jedoch die länge der straße der länge des filmstreifens", übersieht, daß zeit und raum reflexiv sind und verkennt, was in Wien 17, Schumanngasse demonstriert wird, der relativismus der erfahrungswirklichkeit. unsere sinnesorgane liefern einen täglichen film, dessen regeln uns dieser film bewußt machen kann. nie werden wir wissen, wie lange die gasse "wirklich" ist, weil regeln und strukturen der wirklichkeit nur durch die regeln und strukturen unserer abbildungskalküle meßbar sind, also nie überprüfbar. (Peter Weibel)