River Plate
Anders als der Titel des Films zunächst nahe legt, spielt River Plate nicht im Stadion des gleichnamigen argentinischen Fußballklubs, sondern entlang der Schotterbank eines reißenden Flussbetts im nördlichen Italien, wo sich an einem heißen Sommertag eine Gruppe von Badenden zusammen gefunden hat. Und dennoch spielen Sportbezüge auch im neuen Film von Josef Dabernig gleich mehrfach eine Rolle. Die erste Einstellung des in schwarz-weiß gedrehten Films zeigt ein Paar beharrter Männerbeine umspült vom Flusswasser; eines leicht abgewinkelt, das andere gerade ausgestreckt bilden sie im strengen Kader der Kamera eine ebenso formschöne wie isoliert fragmentarische Figur. Es folgt ein harter Schnitt auf eine dörfliche Häusersiedlung, die ähnlich den Badenden eine Gemeinschaft zu verkörpern scheint, die eher temporär zusammengefunden hat und trotz Gesten einer physischen Nähe eine emotionale Lethargie verströmt. Nach Herna (2010) und Hypercrisis (2011), die beide narrativ angelegt waren, entfaltet dieser konzeptuelle „Körperfilm“ nahezu bildhauerisch seine Form aus dem Material und der zugrunde gelegten Struktur: Becken, Bauch, Schulter (Schwenk), Bein, Knie, Arm – die seriellen Einheiten aus je sechs Einstellungen unterbricht Dabernig mit ebenso fragmentarischen Aufnahmen der nahegelegenen Autobahnbrücke. Das Zusammenspiel aus Subjekt, Technik und Natur bleibt bruchstückhaft in Mitten einer hyperexpressiven Landschaft, deren Spannungsreichtum in der grafischen Ästhetik des Schwarz-weiß-Materials und dem Tonkonzept – einer Mischung aus Autobahngeräusch und Gebirgsfluss – einen Widerhall findet. Wie bereits in früheren Filmen gibt es auch diesmal über die innerfilmischen Beziehungen hinaus Bezüge zu früheren Arbeiten, so tauchen vertraute Protagonisten und Orte wieder auf, ebenso das Drehbuch als Lektüre und die Fußballreferenz, ein River Plate Trikot. Nach der ersten Hälfte des Films vollzieht sich ein Wechsel, die Anonymität der Figuren bricht auf, die Gesichter der Beteiligten sind zu sehen, bevor ein Gewitterregen einsetzt und der Tag im Film einen unvorhergesehen Verlauf nimmt.
(Rike Frank)
River Plate übersetzt die sprichwörtliche Strandung einer Personengruppe in die filmische Form. Wasser, Felsen, Beton und Schotter bilden den Rahmen, wo sich Erholung an den Untiefen visueller Anachronismen reibt.
(Josef Dabernig)
60. Kurzfilmtage Oberhausen (Preis (Auszeichnung))
Begründung der Jury:
Körper und Landschaft, Haut und Beton. Die zentralen Motive des Films kontrastieren in brilliant komponierten Schwarzweißbildern. Der Regisseur zeichnet ein konzentriertes Portrait von Menschen, die sich die Landschaft aneignen – ungeachtet ihrer Unwirtlichkeit. Stoisch sitzen sie da, streichen über ihre Bäuche und trotzen Stein und Regen. Volkstümliches Vergnügen als Metapher für den Zustand der Welt; die Jury des Landes Nordrhein-Westfalen zeichnet River Plate von Josef Dabernig aus als präzises Psychogramm des modernen Menschen.
Mitglieder der Jury:
Oliver Baumgarten (Cologne), Georg Elben (Marl), Ruth Schiffer (Düsseldorf), Ulrike Sprenger (Konstanz), Mareike Wegener (Cologne)
River Plate
2013
Österreich
16 min