TOUTES DIRECTIONS
Zu Beginn: Ein Kameraauge, das den Blick nach unten, dicht an der Straße wie entlang der Rille einer Schallplatte gleitet. Die Kamera als Tonkopf, der die Welt nicht aufzeichnet, sondern abtastet, um aus den Strukturen der an ihm vorbeiziehenden Landschaften Geräusche zu erzeugen: Das gleichmäßige Gleiten entlang des fast makellosen Asphalts wird zum leisen Knistern, Fauchen, Rauschen einer LP, die Beschleunigung der Reise erzeugt Kakophonien, manchmal sogar Melodien, die mit jeder neuen Struktur der Welt vor dem Tonkopf zusammenfallen, nur um sich erneut zu etwas zu fügen, das mehr als bloß Geräusch ist.
Billy Roisz´ und Dieter Kovačičs neuste Arbeit denkt das bewegte Bild - durchaus im Nahverhältnis zu den Avantgarden der 1920er-Jahre - als visuelle Musik, genauer: als aus dem Visuellen sich herstellende, aus ihm entspringende Musik. Anders als die meisten Arbeiten der beiden dominieren hier aber nicht abstrakte Formen das Bild, sondern Straßen und Landschaften, die verhältnismäßig klar durchscheinen, um dann in die Abstraktionen der Klangwelt überzugehen. So wird das Bild zum Klangraum (der von beiden Künstlern in Zusammenarbeit mit dem Trio Radian entworfen wurde), in dem sich Rhythmus, Tonfarbe und Klang entlang des Horizonts zu einer Timeline fügen.
"Alle Richtungen", die der Titel anspricht, bezeichnet sowohl die Bewegungen des Bildes (entlang der Welt, in die Bildtiefe hinein, nach oben in vorbei rauschende Baumwipfel und nach unten auf die bröselnde Patina der Landstraße blickend) als auch eine ästhetische Erfahrung, die das Visuelle als Musik, das Akustische als Bewegtbild und die reale Welt als abstraktes Pattern dargeboten bekommt. Ein 13-minütiges road movie in die Nacht hinein, wo die realen Dinge verschwimmen, um als reine Form, reine Bewegung, reines Licht und reines Geräusch zu erscheinen. (Alejandro Bachmann)
TOUTES DIRECTIONS
2017
Österreich
13 min 23 sek