THE NEW FRONT GOT A BUM RAP

THE NEW FRONT GOT A BUM RAP (2021) ist der erste Teil der Reihe `Kurze Filme zum langen Abschied´. Er konfrontiert die Figur des Angestellten mit Alltagssituationen im Büro und seinem Tätigkeitsfeld in einem zeitlichen wie medialen Bogen, der aus der Vergangenheit bis in die Gegenwart und wieder zurück reicht. Die dialogische Form eröffnet dabei nicht nur einen Diskurs zur Arbeit und dem Arbeitsplatz der Zukunft sondern gleichermaßen zu inhärenten architektonischen Parametern von Bürobauten der Angestelltenwelt in der österr. Bundeshauptstadt Wien. Die Film-Reihe befragt jene Kulturen, die sich in der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts entwickelt haben, und stellt diese Fragen an Bilder des Alltags, Bilder in den neuen Medien, Bilder der Netzkultur und des Kinos.

Er sitzt, wie viele andere, hinter einer Glasfassade, der Mann, der in THE NEW FRONT GOT A BUMP RAP von seinem Angestelltendasein erzählt. Die Stimme und sein Tonfall erinnern an das Maschinenhafte eines Navigationssystems, nur dass es hier durch die soziale und architektonische Realität eines Büroturmes führt.
In seinem protokollarisch-skurrilen Abgesang auf die neoliberale Arbeitswelt greift Christian Karst auf eine Erzählung von Bernd Bergen, Analysen von Oskar Negt und Alexander Kluge oder auch auf Witze zurück: „Was sagt der Angestellte, wenn er ständig überwacht wird? – Totale Transparenz im Dienst des Fortschritts.“ Neben Aufnahmen städtischer Bürokomplexe sind Pläne von „optimierten“ Büros zu sehen, in denen jeder Arbeitsplatz ganz exakt bemessen und eine bestmögliche Überwachung der Mitarbeiter*innen garantiert wird. Das scheinbar perfekte System hat aber auch Fehler, das zeigen dieselben Kameras: Da ist nicht nur der hängengebliebene, sprechende Fahrstuhl, da ist auch die Drehtür aus Glas, wo die Angestellten ihre Milchshakes ausschütten oder sich die Nase plattdrücken. In die rasante Collage von eigenen Aufnahmen und medialen Bildern montiert Karst zudem Found Footage von „Office Freak Outs“: Angestellte zertrümmern ihre Computer, werden handgreiflich oder zerstören die Einrichtung ganzer Büros.

Die Befreiungsschläge wirken slapstickhaft und sehr komisch, auch wenn die Männer ganz offensichtlich nicht freiwillig aus ihren Routinen ausbrechen: Wollen wir in „produktiver Knechtschaft“ oder „in unproduktiver Freiheit“ leben, fragt Karst mit Hannah Arendt.
In den Bürotürmen kracht es derweil an allen Ecken und Enden: infantilisierende Erwachsene, Haltungsschäden und schmerzende Mouse-Arme und irgendwo setzt ein explodierender Rechner ein ganzes Hochhaus in Brand. „Die Zukunft der Arbeit ist weniger Arbeit, weniger Arbeit für weniger Menschen“, heißt es am Ende. Inzwischen entstehen weiterhin gläserne Bürokomplexe, auch wenn sich dieser in Architektur gegossene Arbeitsbegriff schon wieder überholt hat. (Christa Benzer)

Orig. Titel
THE NEW FRONT GOT A BUM RAP
Jahr
2021
Land
Österreich
Länge
39 min
Kategorie
Essay, Dokumentarfilm
Orig. Sprache
Deutsch, Englisch
Untertitel
Englisch
Credits
Regie
Christian Karst
Konzept & Realisation
Christian Karst
Verfügbare Formate
Digital File (prores, h264) (Distributionskopie)
Bildformat
4096 x 2160
Tonformat
Dolby Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
Farbe