Singing in Oblivion

Filme, die kompromisslos von (und mit) dem Tod handeln, müssen aus der Zeit gefallen erscheinen, wie die Toten selbst. Singing in Oblivion geht von dieser Idee aus und jenseits der Gegenwart verloren, im Schattenreich vergessener Orte, Daseinsformen und Weltbetrachtungen. Mit zehn ruhigen, menschenleeren Einstellungen beginnt der Film, mit silbrigen Bildern, die – detailversessen wie Kupferstiche – die Interaktion von Pflanzen, Licht und Stein in den Blick nehmen. Der von hohem Gras bewachsene jüdische Teil des Währinger Friedhofs, hinter einer Stacheldrahtmauer mit Zutrittsverbotsschild versteckt, wird von Sonnenstrahlen gesprenkelt; nur die sanfte Bewegung der Blätter und Äste, in Zeitlupe, weist darauf hin, dass dies keine Standfotografien sind.
Im Off wird ein komplexes Natur-Choralwerk aufgeführt: Der zugespielte Gesang der Vögel klingt im Land des Vergessens wie die Reste eines Traums, den man, eben erwacht, nicht mehr zu fassen kriegt. Das Zwitschern bleibt präsent, der Film beschleunigt seinen Puls. Abstrakte Muster beginnen zu tanzen, aus dem Fokus in die Unschärfe, im Labor-Brennglas vergrößerte Gräser, Blumen und Ähren huschen vorbei, lassen an Stan Brakhages Mothlight ebenso denken wie an Man Rays Objektdurchleuchtungen. Nervös flackernde, angeschnittene Bilder anonymer Gesichter und Räume folgen: Die auf einem Flohmarkt erstandenen Glasnegative, die Familienszenen und Porträts zeigen, evozieren eine verloren gegangene Welt, Bruchstücke vielleicht eines verschwundenen jüdischen Bürgertums. Eve Heller arbeitet mit Texturen, Spiegelsprüngen und Überbelichtungen, dynamisiert und fragmentiert ihre Fotofundstücke. Die feinen Einkerbungen auf dem Gesicht einer Frau sind jene des hohen Alters – des Materials. Am Ende fällt der ernste Blick eines Babys an uns vorbei, aus den Tiefen der Alltagsgeschichte in die Nachwelt.  (Stefan Grissemann)

Orig. Titel
Singing in Oblivion
Jahr
2021
Land
Österreich
Länge
13 min
Regie
Eve Heller
Kategorie
Avantgarde/Kunst, Dokumentarfilm
Orig. Sprache
Kein Dialog
Downloads
Filmstill (Bild)
Credits
Regie
Eve Heller
Konzept & Realisation
Eve Heller
Mit Unterstützung von
Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport / Federal Ministry for Arts, Culture, the Civil Service and Sport, Land Niederösterreich
Verfügbare Formate
35 mm (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,37
Tonformat
Dolby Surround
Farbformat
s/w
DCP 4K flat (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,37
Tonformat
5.1 surround
Bildfrequenz
24 fps
Farbformat
s/w
Festivals (Auswahl)
2022
Viennale - Vienna Int. Film Festival (Viennale MehrWertPreis Erste Bank)
Wiesbaden - exground on screen
Porto - Post Porto Doc
Aix-en-Provence - Festival Tous Courts
Lima - MUTA Muestra Int de Apropiación Audiovisual
Gijon - International Film Festival
Thessaloniki - International Film Festival
Dresden - Filmfest
Mexico - FICUNAM Film Festival
2023
Ann Arbor - Film Festival (Juror Award 5)
Warsaw - Tramway Film Festival
Berlin - FRACTO Experimental Film Encounter
Zagreb - 25fps Film & Video Festival
Ljubljana - FEKK International Short Film Festival
Ljubljana - VFX International Experimental Film & Video Festival
Rome - UnArchive Found Footage Fest
Graz - Diagonale, Festival des österreichischen Films
New York - Monticello Park Film Festival