Archiv der Zukunft
Im Naturhistorischen Museum in Wien wird alles gesammelt, archiviert und studiert, was sich auf der Erde und im All findet – und der Spezies Mensch in die Finger kommt. Archiv der Zukunft fängt die ästhetische Anziehungskraft der Sammlung und ihrer Arbeitsprozesse ein und beleuchtet das Mammutprojekt der Wissenskonservierung und -produktion, das sich hinter der imperialen Fassade des Gebäudes verbirgt.
In Reih’ und Glied angeordnete Armeen aufgespießter Käfer. In Schubladen und Glasbehältern sortierte Reptilien und Vögel in den prachtvollsten Ausformungen. Eine beinahe makabre Schönheit liegt über den katalogisierten Subuniversen des Naturhistorischen Museums Wien. Subuniversen, die die ganze Bandbreite der Evolution meinen und Teil der immensen, sachkundig aufbereiteten Sammlung der weltweit bedeutenden Wissensinstitution sind.
Mit adäquat neugieriger Haltung widmet sich Joerg Burger diesem kumulierenden Archiv der betont zweckfreien Grundlagenforschung, ihren Ausstellungsstücken und Gewerken, zuvorderst aber den Menschen, die hier teils ehrenamtlich arbeiten. In Spiegelungen der großen Schaukästen verschwimmen durch seinen Kamerablick Besucher*in und Ausstellungsstück, im konkreten Fall Mensch und Affe, hinter den Kulissen trifft filigranes (archivarisches) auf offenkundig kräfteraubendes (technisches) Handwerk. Wenn etwa das erste echte Dinosaurierskelett für den Ausstellungsbetrieb aufgebaut wird oder ein in den 1970er-Jahren – bei einer offiziellen Dienstreise vulgo Großwildjagd – erstandener Elefant restauriert wird. Es sind diese fein nuancierten Momente, in denen Burger das redliche Bemühen um Wissenszuwachs mit Fragen nach Provenienz und Ethik in der institutionellen Praxis vermischt. Mittlerweile gehören Restitution und Kontextualisierung von (kolonialen) Grenzüberschreitungen unabdingbar zum Forschungsprozess. Auch wenn die Exponate des Naturhistorischen Museums Wien aus einer eingefrorenen, vergangenen Zeit sprechen, ist im Feld der Wissensproduktion und -wahrung vieles in Bewegung. Während uns also Blicke längst ausgestorbener Tierarten von der Leinwand herunter treffen, liegen in den Bergen an Daten und Exponaten nicht nur die Geschichten vergangener und extraterrestrischer Lebenswelten verborgen, sondern auch so manche Antwort auf die Krisen unserer Zeit. Auch davon erzählt Archiv der Zukunft. In Form eines bildgewaltigen Institutionenporträts und stillen Rezeptbuchs des Lebens. (Sebastian Höglinger)
Archiv der Zukunft
2023
Österreich
92 min