The Garden Of Electric Delights
Dem Lust- und Foltergarten, den der niederländische Künstler Hieronymus Bosch vor über fünf Jahrhunderten als surreales Triptychon erdacht und visualisiert hat, verpasste die Nachwelt einen schönen Titel: „The Garden of Earthly Delights“. Eine Variation jenes Werknamens hat Billy Roisz ihrer jüngsten Produktion gegeben, und er ist folgerichtig: Ihr Garden of Electric Delights bietet Vergnügungen, die weniger irdisch als „elektrisch“ erscheinen.
Ein grauer ball of confusion nähert sich, in ihm tanzen immaterielle Signale eine Art mikroorganischen Spektral-Tango. Farbe sickert ins Blickfeld, die vertikal gesetzten Rot-, Blau- und Grüntöne werden von den Störsignalen analoger Bildapparate in Bewegung gehalten. Eine vage Dreiteilung des Sichtfelds wird auffällig. Die Musik changiert zwischen Fieldrecording, Vintage-Elektronik und Noise.
Billy Roisz liebt das Materialhafte ihrer Kunst, deren synaptisch-körperlichen Wirkungen. Die Videosignale sind präzise mit den Geräuschimpulsen verschaltet, über die komplexe Gestaltung der Farboberflächen dringt Roisz tief ins virtuelle Gewebe ihrer Abstraktionen ein, gibt ihnen räumliche Präsenz. Die Formen und Strukturen wandeln sich unaufhörlich: The Garden of Electric Delights treibt ein metamorphologisches Spiel mit elektrisch induzierten, sinnlich aktivierenden Manövern.
Hinter dem ästhetisierten Flackern und Zucken der Bildzeilen wird bald eine nächtliche Tier- und Pflanzenwelt wahrnehmbar, die akustisch artifiziell bleibt: Das synthetische Zwitschern der Vogelsurrogate und der Ruf des Maschinen-Uhus schallen durch einen von schwachem Licht erhellten Wald. Das Finale gehört den Texturen reptilischer Hornschuppen, Hautwucherungen, Zellteilungs- und Alien-Design-Animationen. Eine schnell verlöschende Naturszenerie, die im fahlen Licht zwischen Nacht und Tag vor uns liegt, beschließt diese Reise in die gefährdete Wunderwelt der Farb- und Formenvielfalt. (Stefan Grissemann)
The Garden Of Electric Delights
2024
Österreich
12 min