Ruth Beckermann - Films on Tour

Ruth Beckermann - Films on Tour

Ruth Beckermann, geboren 1952 in Wien, arbeitet seit vierzig Jahren als Dokumentarfilmerin, ihr Name steht – weit über die Grenzen Österreichs hinaus – für ein der Realität zugewandtes, politisch ungemein sensibles Kino. Die Filmformen, in denen sich ihre Politik der Bilder manifestiert, sind vielfältig: von "klassischen" Zugängen über essayistische Zeit- und Raumteppiche bis hin zu künstlerischen Tigersprüngen, bei denen das Dokumentarische ins Fiktionale übergeht.

 Gemeinsam ist allen Filmen Beckermanns eine Auseinandersetzung mit der Geschichte – entlang der genauen Beobachtung gegenwärtiger Konstellationen. Immer wieder geht es um das Aufblitzen des einen im anderen. Etwa bei ihrer Beschäftigung mit Österreich, dem Judentum und Fragen nach der persönlichen und kollektiven Identität beziehungsweise deren Brüchen. Die formale Agilität der Filme ist dabei nie Selbstzweck. Was sie einmal über eine ihrer künstlerischen Wahlverwandten – Chantal Akerman – geschrieben hat, gilt programmatisch auch für Beckermann selbst: "Sie flüchtet sich nie in experimentelle Spielereien. Hinter ihren Filmen steht eine Autorin, welche das Bedürfnis hat, ihre Zeit auszudrücken."

Diese ihre Zeit als Filmemacherin reicht zurück ins Wien des Jahres 1976, wo sie als Teil eines unabhängigen Videokollektivs den symbolträchtigen Kampf um das autonome Kultur- und Kommunikationszentrum Arena mitverfolgt: Arena besetzt ist das Dokument einer Utopie und ihres Endes, aber auch der Versuch, Kino politisch nutzbar zu machen. Doch so wie ihre Biografie – Studium in Paris und New York, journalistische Arbeit in der Schweiz – sind auch Beckermanns Interessen seit jeher nicht aufs Lokale beschränkt. Spätestens mit Die papierene Brücke (1987), einer filmischen Suchbewegung nach Spuren jüdischen Lebens auf dem Gebiet der ehemaligen k.u.k. Monarchie, weitet sich der geografische Raum (auch wenn am Ende der Waldheim-Wahlkampf in Wien ganz plötzlich hereinbricht); ihr Roadmovie American Passages setzt am 4. November 2008 in Harlem ein – jenem Tag, an dem Barack Obama zum ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wird, und den sie hautnah miterlebt.

 Zugleich schlagen Ruth Beckermanns Filme Brücken über die Zeit: vom Schicksal ihres aus Czernowitz gebürtigen Vaters (Die papierene Brücke) und den intensiven Gesprächen mit dem Kommunisten Franz West über die Wiener Zwischenkriegszeit (Wien Retour) bis zur Gegenwart unmittelbar vor der eigenen Haustür, der Marc-Aurel-Strasse im einst jüdisch geprägten Textilviertel Wiens, in homemad(e). Von den Spuren, die Kaiserin Elisabeth in Ägypten hinterlassen hat (Ein flüchtiger Zug nach dem Orient), bis zur Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" und den Reaktionen, die ebendiese bei den Besuchern, in der Mehrzahl ehemalige Wehrmachtsangehörige, zur Folge hat (Jenseits des Krieges).

 Mit der ersten Gesamtretrospektive in Österreich erkundet das Filmmuseum das Schaffen einer Regisseurin, der geschlossene Erzählformen ebenso suspekt sind wie ein lineares Geschichtsbild. Immer freier und mutiger fügen sich in ihrer Arbeit die Bilder zueinander, im Flechtwerk zwischen Vergangenheit und Gegenwart, hier und "dort", zwischen dem filmenden Ich und der Welt. Von dieser Beweglichkeit, die an die Arbeiten Chris Markers erinnert, zeugen nicht zuletzt die Titel ihrer jüngsten Werke: Those Who Go Those Who Stay (2013), ein Filmessay, dessen Thema die freiwilligen und unfreiwilligen Reisebewegungen auf dem europäischen Kontinent sind; The Missing Image (2015), eine aufsehenerregende künstlerische Intervention auf dem Wiener Albertinaplatz; sowie Die Geträumten (2016) – Ruth Beckermanns erster, wunderbar stimmiger Spielfilm, in dem sie die Liebesbeziehung zwischen dem Lyriker Paul Celan und der jungen Schriftstellerin Ingeborg Bachmann im Wien der 1950er Jahre szenisch imaginiert hat. (Österreichisches Filmmuseum, 2016)

Ruth Beckermann Films on Tour - Trailer

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