Gesamtspieldauer: 78 min
Dieser Band entstand in Kooperation und mit finanzieller Unterstützung der Maria Lassnig Stiftung, die beigelegte DVD in Zusammenarbeit mit INDEX-Edition.
Maria Lassnig. Das filmische Werk
Hg. Eszter Kondor, Michael Loebenstein, Peter Pakesch, Hans Werner Poschauko
Redaktionelle Mitarbeit: Isabella Reicher
FilmmuseumSynemaPublikationen
192 Seiten, in deutscher Sprache
ISBN 978-3-901644-85-6
Auszug aus dem Vorwort der Herausgeber*innen
Im Mai 1979 zeigte das Österreichische Filmmuseum – zum ersten und für vier Jahrzehnte auch zum letzten Mal – ein Programm mit Maria Lassnigs „Zeichentrickfilmen“. Ins „Unsichtbare Kino“ hatte sie es über einen Umweg geschafft: Das internationale Forum des jungen Films zeigte während der Berlinale diese sieben Filme (damals gehörten insgesamt neun zum bekannten filmischen Gesamtwerk) und danach eben auch in Wien.
Dieser Umstand ist bezeichnend für die geringe Aufmerksamkeit, die Lassnigs in den 1970ern in New York entstandenem filmischen Œuvre zu Lebzeiten über weite Strecken zukam – selbst nachdem sie sich als Malerin ab den 1980ern weltweit etablieren konnte.
Woran lag das? Zum einen hat das zweifellos viel mit Lassnigs Neigung zu tun, sich selbst regelmäßig radikal neu zu positionieren und damit zugleich eine Auseinandersetzung mit spezifischen Formen, Farben oder Ausdrucksmitteln für sich als erledigt zu betrachten. Mit Ende ihrer New Yorker Werkphase vollzieht sie nicht nur einen Schwenk weg vom (Animations-)Film als wichtigem Ausdrucks- und Gestaltungsmedium; auch lässt sie die mannigfaltigen Lebens- und Arbeitskontexte dieser Zeit, von der Kulturarbeit im Kollektiv bis zum politischen Feminismus, hinter sich.
So landeten die Filme, bis auf eine Rolle der „kanonischen“, das heißt zu Lebzeiten regulär vertriebenen (und seit den 2000ern auch wieder vermehrt rezipierten) Werke, buchstäblich am Dachboden. Erst nach ihrem Tode im Jahr 2014 sollten die Maria Lassnig Stiftung und ihre ehemaligen Schüler*innen Mara Mattuschka und Hans Werner Poschauko diesen filmischen Nachlass öffnen, restaurieren und ausstellen. Wie es dazu kam, und was das für ihre Neubewertung als Filmkünstlerin bedeutet, wird in dieser Publikation erstmals umfassend dokumentiert.
Nebst biografischen Aspekten führten auch andere Faktoren dazu, dass Lassnigs Filmschaffen vor allem in Österreich wenig beachtet blieb. Als Emigrantin und Remigrantin war sie beinahe zwei Jahrzehnte lang nicht Teil der Wiener Kulturszene. Als Filmemacherin war sie beinahe ausschließlich in den USA tätig. Und auch dort fand ihre Arbeit abseits der in Österreich stark rezipierten Bewegung des „New American Cinema“ und des „structural film“ statt; hinzu kommen eine systematische Geringschätzung weiblicher Filmschaffender und die noch bis in die 1990er Jahre stiefmütterliche Behandlung des Animationsfilms.
Die Restaurierung der Filme, deren Präsentation in Museen, Cinemathequen und bei Festivals weltweit sowie die Publikation dieses Bandes mit DVD-Beilage möchten dem entgegensteuern.
Doch Lassnigs Filmarbeit ist, wie die hier publizierten Essays von James Boaden und Stefanie Proksch-Weilguni sowie die Film- und Projektbeschreibungen von Beatrice von Bormann, Jocelyn Miller und Isabella Reicher verdeutlichen, nicht bloße „Malerei in der Zeit“. Ihr Werk reflektiert ihre Auseinandersetzung mit dem Medium, seiner Geschichte und seinen Erzähltechniken, vom Hollywoodkino über den unabhängigen US-Film zum Animationsfilm und bis hin zum Fernsehen. Und auch ästhetisch verweigert Lassnig jedwede Orthodoxie. Ähnlich wie in Zeichnung und Malerei, macht sie sich eine Vielzahl an gestalterischen Techniken zu eigen und exerziert sie durch: vom „handpainted film“ zum Legetrick, von der Studioaufnahme zur dokumentarischen Handkameraführung; sie arrangiert komplexe Doppelbelichtungen in der Kamera, benutzt die optische Bank, und reichert die dabei entstehenden Bilderwelten mit Tonspuren an, die von Voiceover-Erzählung über elektronische Klangerzeugung bis zu Tonbandexperimenten reichen. Damit durchbricht sie – als Frau, als eine Fremde („an alien“) sowohl in der Filmszene als auch im Amerika der 1970er Jahre – bestehende Kategorien und Zuordnungen.
(Eszter Kondor, Michael Loebenstein, Peter Pakesch, Hans Werner Poschauko)