Das frühe Kino und die Avantgarde. Filmschau und Symposion

Fr 8. März 2002 - Fr 8. März 2002 22:00
Stadtkino Wien

Das frühe Kino gilt als eines, das seine niedere Herkunft vom Rummelplatz kaum verbergen kann. Dem avantgardistischen Film wiederum eilt der Ruf voraus, "elitär" zu sein. Jedenfalls scheinen beide innerhalb der FIlmgeschichte höchst gegensätzliche Positionen einzunehmen.
In einer der verblüffendsten und spannendsten Entwicklungen der aktuellen Filmtheorie ist dem frühen Kino nun späte Gerechtigkeit widerfahren: Es wurde als eine Form der Kinematographie erkannt, die nicht bloß eine primitive Vorstufe zum "eigentlichen" Film, dem Spielfilm, darstellt, sondern vielmehr eine Phase bildet, innerhalb derer die gestalterischen Möglichkeiten des Films vielfältigst genutzt und diese dem Publikum auch sichtbar gemacht wurden. Dieser "exhibitionistische Drang trug ihm den Namen "Kino der Attraktionen" ein. Gleichzeitig mit der Neubewertung des "Cinema of Attractions" wurden zahlreiche Parallelen zwischen dem frühen Kino und der Avantgarde entdeckt. Da ist zunächst die grundsätzliche Tendenz des avantgardistischen und experimentellen Films, die Besonderheiten des Mediums herauszustellen. Zugleich beschäftigten sich immer schon auffällig viele Filmschaffende intensiv mit dem frühen Kino, indem sie aus Aufnahmen der Pioniere eigene Werke schufen, oder indem sie sich einer Ästhetik verschrieben, die unmittelbar an das Kino der Jahrhundertwende anzuschließen scheint. 

Blicken wir heute zurück, so läßt sich um 1907, 1908 eine entscheidende Wende erkennen: Damals begann sich die Gestaltung der Filme in eine Richtung zu entwickeln, die das illusionistische Potential der Kinematographie verstärkt zu nützen trachtete. An die Stelle der exhibitionistischen Demonstration trat das voyeuristische Setting des Spielfilms. Schon bald zeigten sich die ehemals vielgestaltig bevölkerten Gefilde des frühen Kinos flurbereinigt; dem fröhlichen Wildwuchs schien ein Ende gesetzt. 
Doch schon kurze Zeit darauf bemächtigten sich bildende Künstler und Künstlerinnen der Kinematographie. Erneut setzten sie an, deren gestalterische Möglichkeiten jenseits industrieller Normen weiter zu entwickeln. Aus dem Rummelplatz wurde der Underground, und hier schrieb die Avantgarde ihre parallele Geschichte des Films als eines Mediums der bildenden Kunst. Dieser Geschichte und ihren verwandtschaftlichen Bindungen an das Kino der Frühzeit sind Filmschau und Symposion gewidmet. 

Programmübersicht
Early Film and Modern Life: The City, the Machine and the Human Body (zum Vortrag von Tom Gunning) 
Lumière, der Zug und die Avantgarde (zum Vortrag von Christa Blümlinger) 
Looking Back, Looking Forward: North American Avant-Garde Film Since the Eighties (zum Vortrag von William C. Wees) 
Speed and Cities (zum Vortrag von Chris Horak) 
,,.. strangely haunting and beautiful" (zum Vortrag von Karola Gramann und Heide Schlüpmann)
Screen Words: Early Film and Avant-Garde Film in the House of the Word (Programm 1 zum Vortrag von Bart Testa) 
Rebellische Clowns oder der Ausbruch des Körpers (zum Vortrag von Claudia Preschl) 
Vaudeville & Comedies 
Die Lust am Material 
Hollis Frampton (Programm 2 zum Vortrag von Bart Testa) 
Die Blickmaschine 
Vom Pol zum Äquator (zum Vortrag von Christa Blümlinger) 
Méliès & Co.

Referent:innen des Symposions
Christa Blümlinger
Karola Gramann
Tom Gunning 
Chris Horak 
Joachim Paech
Claudia Preschl
Heide Schlüpmann
Bart Testa
William C. Wees

Programm und mehr Infos siehe downloads

Ein gemischtes Programm von sixpackfilm und Stadtkino in Zusammenarbeit mit Filmarchiv Austria

Konzept Gabriele Jutz, Peter Tscherkassky 

Filmauswahl Christa Blümlinger

Organisation Brigitta Burger-Utzer, Wilbirg Brainin-Donnerberg, Gabriele Jutz, Gabriele Mühlberger, Peter Tscherkassky