Maths in Motion
Mathematische Konzepte im experimentellen Film und Video. Der Titel der Film/Videoschau ist eine Paraphrase auf ein einflussreiches Manifest des ungarischen Bauhausmeisters und Konstruktivisten Lászlò Moholy-Nagy, das posthum erstmals 1947 publiziert wurde: „Vision in Motion“. „Der strenge“ Geist der Mathematik wird ostentativ an die Stelle der „künstlerischen“ Vision gesetzt, wobei der Beweis angetreten wird, dass künstlerischer Anspruch und mathematische Konzeption und Präzision durchaus keine Gegensätze sind.
MATHS IN MOTION begleitet und erweitert die Ausstellung „Abstraction Now“, in der nonrepräsentative Gegenwartskunst präsentiert wird. Im Gegensatz zur Ausstellung, in der ausschließlich zeitgenössische künstlerische Positionen vertreten sind, werden in der Film/Videoschau Arbeiten vom Beginn des experimentellen Kinos bis heute gezeigt, welche thematisch gruppiert einen Überblick über die vielfältigen Entwicklungen der mathematischen Ansätze im Experimentalfilm und -video geben. Das Thema Abstraktion stellt im gesteckten Feld einen wichtigen Teilaspekt dar, wird aber ergänzt, um als Phänomen in einem weiteren (medien-)historischen Kontext besser eingeordnet weden zu können. Es existieren zwar starke Parallelen in der Geschichte der modernen Bildenden Kunst und des experimentellen Laufbildes, trotzdem gehorchen diese Disziplinen jeweils eigenen Gesetzen. Dieser Einsicht wollen wir mit der historischen Ausrichtung der Film/Videoschau Rechnung tragen.
MATHS IN MOTION umfaßt eine zeitliche Spanne von den 1920er Jahren bis zur Gegenwart, wobei die zehn Programme nicht chronologisch sondern thematisch angeordnet sind. Die direkte Gegenüberstellung von historischen und zeitgenössischen Werken stellt Verbindungen her, die bisher so noch nicht zu sehen waren. Im unmittelbaren Aufeinandertreffen der Dekaden treten die Gemeinsamkeiten ebenso wie die Weiterentwicklungen in technischer und formaler Hinsicht und daraus resultierend die teilweise stark differierenden Stile klar hervor. Ideengeschichtliche Kontinuitäten im künstlerisch-experimentellen Umgang mit den bildgebenden Technologien aufzudecken erschien wichtiger und interessanter als eine bloße chronologische Aneinanderreihung oder eine medientechnologische Kategorisierung.
Für die experimentelle Film- und Videokunst bedeutet das Operieren mit mathematischen Konzeptionen ein Kino, in dem die Form das primäre Gestaltungselement ist. Zum einen tauchen wir in die gegenstandlose Welt der Geometrie ein, in der die simple Form des Quadrats wie etwa bei Malewitsch eine der Urzellen ist. Für ihn war es „die Befreiung der Künste von den Naturformen, um ihre eigene Sprache sprechen zu können.“ Der Rhythmus wird zum elementarsten Gestaltungsmittel, zur Konzentration auf das, was dem Film wesentlich ist: Bewegung und Licht. Dem Publikum bleibt die eigene Vorstellungswelt, die reine Empfindung der audiovisuellen Wahrnehmung.
Zum anderen präsentiert das vorliegende Programm Arbeiten, die sich der faszinierenden Erforschung des Sehens im weitesten Sinne verschrieben haben. Dazu gehören jene, die das Phänomen der Zeit im Film untersuchen, mit metrischen Konzepten reale Bildfolgen ordnen oder den Einfluss des kinematographischen Apparats, des Trägermaterials oder neuerdings der Hard- und Software des Computers vorführen. Grafische Partituren als Vorlage für die Montage, musikalischen Aufzeichnungssystemen vergleichbar, erzeugen oft einen seriellen Charakter, der mit Schleifen und Wiederholungen arbeitet.
Gerade im Wien der 90er Jahre hat sich eine lebendige Szene entwickelt, die die neuesten Technologien für künstlerische Zwecke auslotet. Aus der Zusammenarbeit von elektronischen MusikerInnen, KomponistInnen, GrafikdesignerInnen und VideokünstlerInnen entstanden und entstehen sowohl der Abstraktion und Geometrie verpflichtete Videos, wahrnehmungstechnische Untersuchungen (Verdichtungen, Fragmentierungen, Überlagerungen, etc.) als auch Arbeiten, die das Chaos im Berechenbaren (Tina Frank, Billy Roisz) oder die Gliederung durch Zahlen und Serien (Mary Ellen Bute, Jürgen Moritz, Norbert Pfaffenbichler, reMI, Lotte Schreiber) thematisieren.
An die Stelle des emotionalen Gestus wird in dieser Programmreihe die Klarheit und Logik der Konstruktion gesetzt. Dass diese konzeptuell ausgereiften Arbeiten auch visuell faszinierend sind und dabei noch die Lust am Entdecken der formalen Ordnungsmuster stimulieren, können wir garantieren.
Programmübersicht
Calculated Movements
The Process of Abstraction
Structural Landscapes
Vektoren & Koordinaten
Zufall, Chaos und Ordnung
Strukturierte Dokumente
Die Liebe zur Geometrie
See the Rhythm!
Die geformte Zeit
Electronic Linguistics
für mehr Information und das detaillierte Programm siehe downloads
Eine Veranstaltung von sixpackfilm
Konzeption, Filmauswahl & Redaktion Brigitta Burger-Utzer, Norbert Pfaffenbichler, Gerald Weber