Ruth Beckermann - Retrospektive

Mo 12. Dezember 2016 - Mo 1. Mai 2017 20:00
Österreichisches Filmmuseum

Die 1952 in Wien geborene Ruth Beckermann, die seit 40 Jahren Essay- und Dokumentarfilme dreht und international als eine der mutigsten Filmemacherinnen Österreichs bekannt ist, stellt die Auseinandersetzung mit "Erinnerungsarbeit" und die genaue Beobachtung der Gegenwart in den Mittelpunkt ihrer Arbeit.

Immer wieder lässt sie die Zusehenden spüren, wie das eine im anderen aufflackert, wie bei der Behandlung von Fragen der persönlichen und kollektiven Identität (bzw. deren Zerrüttung). Dabei greift sie nie auf experimentelle Spielereien zurück. Ihre Filme zeigen eine Autorin, die das Bedürfnis hat, die Zeit, in der sie lebt, zum Ausdruck zu bringen.

Ihre Zeit als Filmemacherin reicht bis ins Wien des Jahres 1977 zurück. Als Mitglied eines unabhängigen Videokollektivs sammelte sie Material über den Kampf um ein autonomes Kulturzentrum in Wien: Arena besetzt. Eine Dokumentation über eine Utopie und ihr Ende, aber auch ein Versuch, das Kino politisch nutzbar zu machen. Beckermann, die schon früh reiste, in Paris und New York studierte und als Journalistin in der Schweiz arbeitete, ist keineswegs ortsgebunden: 
Die papierene Brücke
(1987), eine filmische Spurensuche nach jüdischem Leben auf dem Gebiet der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie, illustriert den geografischen Raum ihres Kinos (auch wenn am Ende des Films plötzlich der Waldheim-Wahlkampf in Wien hereinbricht).
Ihr Roadmovie American Passages beginnt nach der Finanzkrise in Harlem am 4. November 2008 - dem Tag, an dem Barack Obama erster schwarzer Präsident der Vereinigten Staaten wurde. Gleichzeitig schlagen Beckermanns Filme eine Brücke durch die Zeit: vom Schicksal ihres in Czernowitz geborenen Vaters (Paper Bridge) und intensiven Gesprächen mit dem Kommunisten Franz West über das Wien der Zwischenkriegszeit (Wien Retour) bis zu ihrer heutigen Haustür, der Marc-Aurel-Straße im ehemaligen jüdischen Textilviertel (Homemad(e)). Von den Spuren, die Kaiserin Elisabeth in Ägypten hinterließ (Ein flüchtiger Zug nach dem Orient) bis hin zur Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" und den Erinnerungen, die sie bei den BesucherInnen, mehrheitlich ehemalige WehrmachtssoldatInnen, auslöste (Jenseits des Krieges/East of War).

Mit der ersten österreichischen Retrospektive von Ruth Beckermanns Filmen erkundete das Österreichische Filmmuseum das Werk einer Regisseurin, der geschlossene Erzählformen ebenso suspekt sind wie lineare Geschichts- und Erinnerungsbilder, die immer freier und kühner werden und Vergangenheit und Gegenwart, das Hier und das Dort, das filmende Ich und die Welt miteinander verschränken - eine Gewandtheit, die an das Werk von Chris Marker erinnert und die durch die Titel ihrer jüngsten Arbeiten noch verstärkt wird:
Those Who Go Those Who Stay (2013), ein Essay über freiwillige und unfreiwillige Bewegungen auf dem europäischen Kontinent; The Missing Image (2015), eine umstrittene künstlerische Intervention auf dem Wiener Albertinaplatz; und Die Geträumten (2016) - Beckermanns erster, wunderbar stimmiger hybrider Spielfilm, in dem sie die Beziehung zwischen dem Dichter Paul Celan und der jungen Schriftstellerin Ingeborg Bachmann imaginiert und inszeniert. (Österreichisches Filmmuseum)

Filme
Arena besetzt (Josef Aichholzer, Ruth Beckermann, Franz Grafl, 1977, 16mm/DCP, b/w, 77 min.)
Auf amol a Streik (Ruth Beckermann & Josef Aichholzer, 1978, 16mm/DCP, b/w, 24 min.)
The Steel Hammer Out There on the Grass (R. Beckermann, Josef Aichholzer, Michael Stejskal, 1981, 16mm/DCP, col & b/w, 40 min.)
The Missing Image [Documentation of the installation] (Ruth Beckermann, 2015/16, DCP, col, 11 min.)
Return to Vienna (Ruth Beckermann, Josef Aichholzer, 1983, 16mm/DCP, col & b/w, 91 min.)
Paper Bridge (Ruth Beckermann, 1987, 16mm/DCP, col, 95 min.)
Towards Jerusalem (Ruth Beckermann, 1990, 16mm/DCP, col, 85 min.)
East of War (Ruth Beckermann, 1996, 35mm/DCP, col, 117 min.)
A Fleeting Passage to the Orient (Ruth Beckermann, 1999, 35mm/DCP, col, 82 min.)
Mozart Enigma (Mozart Minute 10) (Ruth Beckermann, 2006, 35mm/DCP, 1 min.)
homemad(e) (Ruth Beckermann, 2001, 35mm/DCP, col, 84 min.)
Zorro’s Bar Mitzva (Ruth Beckermann, 2006, 35mm/DCP, col, 90 min.)
American Passages (Ruth Beckermann, 2011, 35mm/DCP, col, 121 min.)
Jackson/Marker 4am (Ruth Beckermann, 2012, DCP, col, 3 min.)
Those Who Go Those Who Stay (Ruth Beckermann, 2013, DCP, col, 75 min.)
The Dreamed Ones (Ruth Beckermann, 2016, DCP, col, 89 min.)

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image Die Geträumten