Jan Soldat – Männer(t)räume

Mi 15. Januar 2025 - Do 16. Januar 2025 20:30
Österreichisches Filmmuseum / 18+

Jan Soldat zählt mit zu den eigenwilligsten Filmemacher:innen der Gegenwart, seine Filme liefen u.a. bei den renommierten Festivals in Cannes, bei der Berlinale, in Rotterdam oder in Karlovy Vary, genauso wie bei Kurz,- Porno- oder Nischenfestivals. Grob kategorisiert können seine Filme in zwei Werkgruppen eingeteilt werden:
1. Date-Filme, dokumentarische Sonderformen, welche sukzessive einen Katalog sexueller Devianz, ein Lexikon des Perversen und Nicht-Normativen entstehen lassen.
2. Akribisch recherchierte Found Footage Arbeiten, deren Fokus Sterbe/Todesszenen von Udo Kier, Danny Trejo, Nicolas Cage, Lance Henriksen, Christopher Lee oder zuletzt von Frauenmorden der Serie Ein Fall für zwei bilden.

Statische Bilder, sehr selten eine Handkamera, sind Soldat´s formale Handschrift. Er verantwortet Regie, Produktion, Kamera, Schnitt und Ton selbst, ist quasi allein am Schauplatz. Seine Serie „Erste Dates Kurzfilme,“ die er 2010 startete und mittlerweile über 120 Filme umfasst, erfordert geradezu diesen Produktionsprozess. Wer hat Lust sich filmen zu lassen? – so lautet sein Aufruf sowohl auf homosexuellen als auch heterosexuellen Plattformen, dem bis dato primär ältere, bi- und homosexuelle Männer gefolgt sind. Freizügig und meist nackt teilen sie ihre Erlebnisse, oftmals sexuelle Routinen, Vorlieben und Fetische. Im dokumentarischen Sinne lässt sich bei Soldat´s Date-Filmen ein Verhältnis zum Kinsey Report assoziieren, der schon in den 1940er und 1950er Jahren dem menschlichen Sexualverhalten auf die Spur zu kommen versuchte. Pornos spielen in Soldat´s Filmen häufig als mediatisierte Displays eine Rolle, seine Arbeiten sind aber vielmehr an einer Schnittstelle zum Dokumentarischen zu lesen, die dem Gespräch und der Rahmung von Sex größere Aufmerksamkeit schenken. Sehen wollen und Zeigen, kurzum neugierig sein, fungieren als Soldat´s wichtigste Parameter; – Kino als Erfahrungsraum. (Dietmar Schwärzler)

15.01.2025, 18:00 Uhr
Programm 1 / Sex & Fetisch
rein/raus, 2009, 1 min.
Geliebt, 2010, 16 min.
Endlich Urlaub, 2010, 3 min.
Ein Wochenende in Deutschland, 2013, 25 min.
Coming of Age, 2016, 13 min.
Protokolle, 2017, 20 min.

Sexuelles Begehren umfasst ein breites Spektrum menschlicher Verhaltensformen, das sich in diesem Programm auch von der grenzüberschreitenden und zuweilen verstörenden Seite zeigt. Den Beginn machen vier Filme, die noch während Soldat´s Studium an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf entstanden sind. Während die Miniaturen rein/raus und Endlich Urlaub Sex als Energieaustausch und Handlungsabfolge präsentieren, tritt bei Ein Wochenende in Deutschland der liebe- und humorvolle Umgang von Manfred und Jürgen ins Zentrum, die einen BDSM-Dreier planen. Geliebt widmet sich den Protagonisten Jens und Pascal, zwei befreundete, junge Männer, die Zoophilie, in dem Fall eine emotionale und sexuelle Beziehung zu ihren Hunden, pflegen. Sind es in Coming of Age Horst und Kalle, die neben dem Fetisch auf Windeln eine behutsame, auch sozial ausgeklügelte Verbindung eint, versammelt Protokolle Interviews von hetero/bisexuellen Männern, die davon träumen, geschlachtet und gegessen zu werden. (ds)

15.01.2025, 20:30 Uhr
Programm 2 / Kontrolle & Einlassen
Der Unfertige, 2013, 48 min.
Hotel Straussberg, 2014, 27 min.
Der Besuch, 2015, 5 min.

Odenwald-Gay, Golem oder Klaus, sechzig Jahre alt, schwul, Sklave – so stellt sich der Protagonist zu Beginn von Der Unfertige vor. Beruf: Steuerberater, lange Zeit für eine Bruderschaft im Finanzbüro tätig, in einem Umfeld, in dem er seine Sexualität nur versteckt ausleben konnte. Primär in Ketten und Lederriemen bekleidet, breitet Klaus sukzessive seine Lebens- und Familiengeschichte aus. Was er sucht, ist Verständnis und nicht Zärtlichkeit. Am Schluss erklingt eine Sonate von Beethoven, dazu zeigt Soldat das Gesicht seines Protagonisten in Großaufnahme, eine visuelle Übersetzung des metaphorischen näher Kommens. Schauplatz von Film zwei ist ein als Hotel geführtes Gefängnis in Deutschland, in dem militärischer Drill, Züchtigung als Fetisch, oft Wartezeiten und gelegentlich sexuelle Lust vorherrschen, mitunter aber einfach Wurstplatten angerichtet werden. In Der Besuch bekommen die Oma und die Mutter des Betreibers eine Führung durch die Sträflingsanstalt mit Gebrauchsanleitungen zu den entsprechenden Züchtigungsgeräten. (ds)

16.01.2025, 18:00 Uhr
Programm 3 / Portraits
Erwin, 2020, 16 min.
Wohnhaft Erdgeschoss, 2020, 48 min.
Nullo, 2021, 16 min.

Erwin, Heiko & Norbert heißen die recht unterschiedliche Protagonisten dieser drei Portraitfilme, in welchen fast nebenbei die Beziehung zwischen den Portraitierten und dem Regisseur deutlich wird. Soldat, stets als freundlicher Fragesteller (und hier auch als Begleiter) im Off präsent, nähert sich den drei Männern offen, neutral und ohne psychologisierenden Subtext. Während Erwin eine schwule Durchschnittsbiografie am Land in Österreich der 1970er Jahre skizziert, geht’s bei Wohnhaft Erdgeschoss und Nullo ins Eingemachte. Heiko ist vom Leben gezeichnet, seit dem Mauerfall arbeitslos. Für seinen gewalttätigen Vater verspürt er Hass, von der Mutter ist er oftmals genervt, seine Erzählungen über vergangene Beziehungen sind von Enttäuschung durchzogen. Er liebt Pisse, die quasi zu riechen ist, und lebt seinen Fetisch ungeniert in der eigenen Wohnung – im Bett, auf dem Sofa oder am Küchenboden – in Berlin aus. Nullo wiederum zeigt einen selbstbewussten, nackt posierenden Mann, der eigenständig seinen Penis und Hoden entfernt hat und ausgesprochen nüchtern, nicht nur davon, berichtet. (ds)

16.01.2025, 20:30 Uhr
Programm 4 / Dates & Found Footage
Haben Sie Interesse an einem Film zum Thema Shopping, 2020, 5 min.
Erwartungen, 2020, 5 min.
Mensch Christian, wir dreh´n ´nen Porno, 2020, 9 min.
Blind Date, 2022, 12 min.
Männerabend, 2023, 12 min.
Speed Date, 2023, 1 min.
After Work, 2023, 5 min.
Zumindest bin ich draußen gewesen, 2021, 5 min.
Staging Death, 2022, 8 min.
Faces of Death, 2023, 7 min.
Die schöne Tote, 2024, 7 min.

„Erste Dates Kurzfilme“ nennt Soldat eine Werkgruppe, die mittlerweile ein Archiv des männlichen, homo-/bisexuellen Begehrens bilden. Drei Kriterien werden für diese Begegnungen vorausgesetzt. Erstens: Die Person muss Lust haben, sich vor der Kamera zu präsentieren. Zweitens: Das Zeigen des Gesichts darf die Person nicht stören, außer Masken sind Teil einer sexuellen Praxis. Drittens: Der Regisseur macht von Beginn an klar, dass seine Position ausschließlich hinter der Kamera ist. Mittlerweile tauchen einzelne Protagonisten immer wieder auf, das Spektrum des Gezeigten reicht von im Kaufhaus in Unterhosen wixen, Pornodreh, Gruppensex, Fisting oder die Date-Anbahnung selbst – scheitern inbegriffen. Auch Soldat´s Found Footage Filme dokumentieren etwas, nämlich die facettenreichen Varianten der Sterbeszenen einzelner Stars wie Udo Kier oder Christopher Lee und wie sich diese ganz fundamental von den schablonenhaften, fetischisierten und sexistischen Todesszenen von Frauen in einer TV Serie unterscheiden. (ds)

Eine Kooperation zwischen dem österreichischen Filmmuseum und sixpackfilm

Ab 18 Jahre

Österreichisches Filmmuseum
Augustinerstraße 11010 Wien

Kartenreservierungen: 533 70 54 oder online: filmmuseum.at